Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BGH Beschluss vom 28.06.2006 - XII ZB 9/04

Sie haben bereits ein Haufe Produkt? Hier anmelden
 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtskrafterstreckung bei Parteiänderung. Rechtskrafterstreckung auf Rechtsvorgänger. Verletzung des rechtlichen Gehörs. Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung trotz vorheriger Ankündigung eines weiteren Termins „von Amts wegen”

 

Leitsatz (amtlich)

a) Die Rechtskraft eines gegen den nach § 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG abgespaltenen Rechtsträger ergangenen Urteils erstreckt sich nicht auf den übertragenden Rechtsträger; der übertragende Rechtsträger ist nicht Rechtsnachfolger i.S.d. § 325 Abs. 1 ZPO.

b) Es verletzt den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör, wenn das Berufungsgericht nach mündlicher Verhandlung zunächst die Bestimmung eines neuen Termins "von Amts wegen" ankündigt, die Berufung jedoch anschließend durch Beschluss nach § 519b Abs. 2 ZPO a.F. verwirft, ohne zuvor auf die Entbehrlichkeit einer mündlichen Verhandlung hinzuweisen.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; UmwG § 123 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 319 Abs. 2 a.F., § 325 Abs. 1

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Beschluss vom 15.12.2003; Aktenzeichen 20 U 9691/99)

LG Berlin (Urteil vom 22.09.1999; Aktenzeichen 23 O 74/99)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerden der Klägerinnen gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats des KG in Berlin vom 15.12.2003 werden auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Urteilsformel dahin berichtigt wird, dass es in Ziff. 1 des Tenors statt "die Berufung der Klägerin zu 2) wird als unzulässig verworfen" heißen muss "die Berufung der Klägerin zu 1) wird als unzulässig verworfen".

Beschwerdewert: 32.744 EUR

 

Gründe

[1]A.

Die Klägerin zu 1) hat gegen die Beklagte Vollstreckungsabwehrklage erhoben, mit der sie Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus zwei Kostenfestsetzungsbeschlüssen verlangt hat, die in einem von der Beklagten gegen sie geführten Rechtsstreit am 13.5. und 6.10.1998 über 24.248,02 EUR bzw. 6.138,32 EUR jeweils zzgl. Zinsen ergangen sind. Sie hat behauptet, die Forderungen seien durch Aufrechnung mit Gegenforderungen erloschen. Nachdem aus der Klägerin zu 1) während des erstinstanzlichen Verfahrens durch Ausgliederung die Klägerin zu 2) gegründet worden ist, haben die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 14.9.1999 um "Korrektur des Aktivrubrums" dahin gebeten, dass die Klägerin zu 2) alleinige Klägerin sei, weil das Prozessrechtsverhältnis auf diese als partielle Rechtsnachfolgerin der Klägerin zu 1) übergegangen sei.

[2]Das LG hat die beantragte "Korrektur" vorgenommen - ohne eine Stellungnahme der Beklagten hierzu abzuwarten - und sodann mit Urteil vom 22.9.1999 die Klage der Klägerin zu 2) mangels schlüssiger Darlegung der zur Aufrechnung gestellten Forderungen abgewiesen. Gegen das Urteil hat die Klägerin zu 2) Berufung eingelegt und die Klage um Rückzahlung des von ihr zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen gezahlten Betrages erweitert. In der Berufungsverhandlung haben die Klägerinnen einen Parteiwechsel dahin erklärt, dass die Klägerin zu 1) wieder Klägerin sein solle. Die Beklagte hat der Parteiänderung widersprochen. Mit Beschluss vom 11.8.2003 hat das Berufungsgericht im Einzelnen darauf hingewiesen, dass es an einer Beschwer der Klägerin zu 1) fehle, weshalb die Berufung als unzulässig verworfen werden müsse. Gleichzeitig hat es den Parteien unter Fristsetzung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und die Bestimmung eines neuen Termin vom Amts wegen angekündigt. Mit Beschluss vom 22.12.2003 hat das Berufungsgericht die Berufung wegen fehlender Beschwer der Klägerin zu 1) ohne erneute mündliche Verhandlung verworfen, wobei der Tenor lautet: "Die Berufung der Klägerin zu 2) (richtig: zu 1) wird als unzulässig verworfen". Gegen diesen Beschluss richten sich die von den Klägerinnen zu 1) und zu 2) eingelegten Rechtsbeschwerden.

[3]B.

I. Rechtsbeschwerde der Klägerin zu 1):

[4]Die Rechtsbeschwerde der Klägerin zu 1) ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist auch zulässig, weil das Berufungsgericht ein wesentliches Verfahrensgrundrecht der Klägerin zu 1) verletzt hat (Art. 103 Abs. 1 GG) und deshalb die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (vgl. BGH Beschl. v. 23.10.2003 - V ZB 28/03 - NJW 2004, 367). Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg. Denn die angegriffene Entscheidung beruht nicht auf diesem Verstoß.

[5]1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin zu 1) sei wieder Klägerin geworden; ihre Berufung sei jedoch unzulässig. Zwar sei die von den Klägerinnen erklärte Parteiänderung in zweiter Instanz zulässig, weil die ursprüngliche Berufung der Klägerin zu 2) zulässig eingelegt und begründet worden sei. Auch könne die Beklagte ihre grundsätzlich erforderliche Zustimmung nicht verweigern, weil ihr dadurch kein Nachteil entstehe und auch kein Fall der Rechtsnachfolge (§ 265 Abs. 2 ZPO) vorliege und die Sache entscheidungsreif sei. Aus diesen Gründen sei die Parteiänderung auch sachdienlich. Die Berufung sei jedoch durch den Eintritt der Klägerin zu 1) wegen Wegfalls der Beschwer unzulässig geworden und deshalb gem. § 519b ZPO a.F. zu verwerfen. Die Klägerin zu 1) sei nämlich durch das erstinstanzliche gegen die Klägerin zu 2) ergangene Urteil nicht beschwert. Bei der Parteiänderung auf Seiten des Berufungsführers setze eine Beschwer der neuen Partei voraus, dass die angefochtene Entscheidung auch ihr gegenüber Rechtskraft entfalten könne. Diese Möglichkeit bestehe vorliegend für die Klägerin zu 1) als Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) nicht. Die Zivilprozessordnung sehe lediglich für den Rechtsnachfolger einer Partei, nicht aber für deren Rechtsvorgänger eine Rechtskrafterstreckung vor. Eine Entscheidung habe trotz vorangegangener mündlicher Verhandlung durch Beschluss ergehen können, weil in dem Verhandlungstermin nicht über die Zulässigkeit der Berufung der Klägerin zu 1) verhandelt worden sei. Es handele sich auch nicht um den Fall einer nachträglich unzulässig werdenden Berufung, denn über die Berufung der Klägerin zu 2), hinsichtlich deren Zulässigkeit eine Erörterung stattgefunden habe, sei nicht zu entscheiden.

[6]2. Entgegen der Ansicht der Klägerin zu 1) ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung allerdings nicht deshalb geboten, weil das Berufungsgericht angenommen hat, eine Beschwer der in zweiter Instanz in den Rechtsstreit eingetretenen Klägerin zu 1) liege nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung auch ihr gegenüber Rechtskraft entfalten könne, was aber hier nicht der Fall sei.

[7]a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist Voraussetzung für die Zulässigkeit der Berufung, dass der Angriff des Rechtsmittelführers (auch) auf die Beseitigung der im vorinstanzlichen Urteil enthaltenen Beschwer gerichtet sein muss. Ist wegen eines gewillkürten Parteiwechsels in der Berufungsinstanz die klagende Partei nicht mit dem in erster Instanz auftretenden Kläger identisch, liegt eine Beschwer des neu eintretenden Klägers nur dann vor, wenn er durch Rechtskrafterstreckung an die im Ersturteil enthaltene Beschwer des ausscheidenden Klägers gebunden ist oder zumindest Ungewissheit über die Tragweite der Rechtskraft und deren Bindungswirkung besteht (Senatsbeschluss v. 7.5.2003 - XII ZB 191/02 - NJW 2003, 2172, 2173 m.w.N).

[8]b) Die Möglichkeit, dass das zum Nachteil der Klägerin zu 2) als Partei ergangene Urteil des LG Rechtskraft ggü. der in zweiter Instanz in den Rechtsstreit eingetretenen Klägerin zu 1) entfaltet, besteht indes, wie das Berufungsgericht zutreffend erkennt, nicht.

[9]aa) Eine Rechtskrafterstreckung ergibt sich nicht aus § 325 Abs. 1 ZPO, denn die Klägerin zu 1), aus deren Vermögen die Klägerin zu 2) durch Ausgliederung zur Neugründung (§ 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG) hervorgegangen ist, ist allenfalls Rechtsvorgängerin der ausgegliederten Klägerin zu 2), nicht aber deren Rechtsnachfolgerin. Die Erstreckung der Rechtskraft eines den Rechtsnachfolger beschwerenden Urteils auf seinen Rechtsvorgänger sieht § 325 Abs. 1 ZPO nicht vor; eine solche wird auch weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur vertreten.

[10]Eine Beschwer der Klägerin zu 1) folgt deshalb auch nicht daraus, dass das LG in seinem zwischen der Klägerin zu 2) und der Beklagten ergangenen Urteil über die Berechtigung der von der Klägerin zu 1) zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen rechtskräftig entschieden hat. Zwar erfasst die Rechtskraft eines die Vollstreckungsgegenklage abweisenden Urteils nach § 322 Abs. 2 ZPO auch die Zu- oder Aberkennung von Gegenforderungen, mit denen der Kläger gegen die titulierte Forderung aufgerechnet hat (Zöller/Vollkommer ZPO 25. Aufl., § 322 Rz. 24, m.w.N.). Zum Nachteil von am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten können die Rechtsfolgen des § 322 Abs. 2 ZPO aber nur Wirkung entfalten, wenn - anders als im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen der subjektiven Rechtskraftwirkung nach § 325 Abs. 1 ZPO vorliegen.

[11]bb) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ergibt sich eine Rechtskrafterstreckung des erstinstanzlichen Urteils auf die Klägerin zu 1) auch nicht aus der materiell-rechtlichen Verknüpfung der Rechtsverhältnisse zwischen den Klägerinnen und der Beklagten. Zwar wird in Rechtsprechung und Literatur eine über § 325 ZPO hinausgehende Erstreckung der subjektiven Rechtskraft anerkannt, wenn dem Urteil ein für Dritte präjudizielles Rechtsverhältnis zugrunde liegt (vgl. zum Meinungsstand: Zöller/Vollkommer a.a.O. § 325 Rz. 28 ff.). Erforderlich ist aber, dass das sachliche Recht eine Rechtskrafterstreckung auf einen nicht am Prozess beteiligten Dritten gebietet. Dies setzt eine im Einzelfall, sei es ausdrücklich, sei es nach dem Sinn der Vorschrift gebotene, Inhalt und Umfang der Bindungswirkung ggf. näher ausgestaltende Anordnung voraus, wie sie z.B. § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB für den Bürgen im Falle des die Klage gegen den Hauptschuldner abweisenden Urteils darstellt (vgl. BGH Urt. v. 20.10.1995 - V ZR 263/94 - NJW 1996, 395, 396). Solche Umstände liegen hier nicht vor. Die Rechtsbeschwerde wendet lediglich ein, die Frage, ob die titulierte Forderung durch Aufrechnung erloschen sei, betreffe nach § 422 Abs. 1 Satz 2 BGB beide Klägerinnen als Gesamtschuldner. Dies mag zwar materiellrechtlich richtig sein; die Rechtskraft des Urteils gegen einen Gesamtschuldner hat jedoch nach § 425 Abs. 2 BGB nur Einzelwirkung, d.h. sie wirkt nicht gegen die übrigen Gesamtschuldner (BGH Urt. v. 8.5.1989 - II ZR 237/88 - ZIP 1989, 1193, 1195; MünchKomm/Bydlinski BGB 4. Aufl., § 425 Rz. 29; Zöller/Vollkommer a.a.O. § 325 Rz. 9). Mithin bleibt es der Klägerin zu 1) trotz des die Vollstreckungsabwehrklage der Klägerin zu 2) abweisenden LG-Urteils unbenommen, in einem neuen Prozess gegen die Vollstreckbarkeit der Kostenfestsetzungsbeschlüsse vorzugehen und dabei einzuwenden, sie habe bereits vor der Ausgliederung mit Schadensersatzforderungen aufgerechnet.

[12]cc) Entgegen der Ansicht der Klägerin zu 1) musste das Berufungsgericht die Klägerin zu 2) auch nicht als Nebenintervenientin oder als Prozessstandschafterin der Klägerin zu 1) ansehen. Denn die Klägerinnen sind davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 2) durch einen gewillkürten Parteiwechsel nach § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO in den Rechtsstreit auf Klägerseite eingetreten und die Klägerin zu 1) aus dem Rechtsstreit ausgeschieden ist. Das Urteil des LG ist entsprechend dem Antrag der Klägerinnen gegen die Klägerin zu 2) als Partei ergangen. Für eine Umdeutung des von den Klägerinnen gestellten Antrags auf Korrektur des Aktivrubrums dahin, dass die Klägerin zu 2) als Nebenintervenientin oder als Prozessstandschafterin der Klägerin zu 1) auftreten wollte, ist deshalb kein Anhalt ersichtlich.

[13]c) Eine Beschwer der Klägerin zu 1) und damit eine Zulässigkeit ihrer Berufung ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin zu 1) neben der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen durch Erweiterung der Klage in zweiter Instanz von der Beklagten Zahlung von 26.608,73 EUR begehrt. Denn die Berufung ist auch dann unzulässig, wenn mit ihr lediglich im Wege der Klageänderung ein neuer, bislang nicht geltend gemachter Anspruch zur Entscheidung gestellt wird. Vielmehr muss bei Schluss der mündlichen Verhandlung die Berufung auf Beseitigung einer im vorinstanzlichen Urteil enthaltenen Beschwer des Rechtsmittelführers gerichtet sein (Urt. v. 30.11.2005 - XII ZR 112/03 - FamRZ 2006, 402; Senatsbeschluss v. 7.5.2003a.a.O. S. 1095 m.w.N.; BGH Urt. v. 15.3.2002 - V ZR 39/01 - NJW-RR 2002, 1435, 1436). An dieser Voraussetzung fehlt es hier, denn aus den dargestellten Gründen beschwert das mit der Berufung angegriffene Urteil des LG die Klägerin zu 1) nicht.

[14]3. a) Die Rechtsbeschwerde ist aber, wie die Klägerin zu 1) zu Recht rügt, gem. § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zulässig, weil die angegriffene Entscheidung die Klägerin zu 1) in ihrem Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung ihres Sachvortrags mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess eigenbestimmt und situationsangepasst gestalten können (BVerfG NJW 2003, 3687 f.; BVerfGE 89, 28, 35). Zwar hat das Berufungsgericht in seinem Hinweisbeschluss vom 11.8.2003 im Einzelnen dargelegt, dass und weshalb es beabsichtige, die Berufung der Klägerin zu 1) als unzulässig zu verwerfen, und auch unter Fristsetzung Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu gegeben. Es hat jedoch gleichzeitig angekündigt, ein neuer Termin werde "von Amts wegen" bestimmt. Diese Ankündigung stand zwar grundsätzlich einer Entscheidung nach § 519b Abs. 2 ZPO a.F. ohne erneute mündliche Verhandlung nicht entgegen. Es handelt sich dabei vielmehr um eine den Prozessbetrieb bestimmende, nicht bindende Anordnung des Berufungsgerichts nach § 329 Abs. 1 ZPO (vgl. Zöller/Vollkommer a.a.O. § 318 Rz. 8; BGH Urt. v. 8.12.1994 - IX ZR 254/93 - NJW 1995, 2106, 2107). Aus dem durch Art. 103 Abs. 1 GG geschützten Informationsanspruch folgt jedoch, dass die Parteien die Möglichkeit haben müssen, zu der geänderten prozessualen Lage Stellung zu nehmen und ihr Verhalten an die neue Situation anzupassen, wenn das Gericht von dem angekündigten Termin wieder Abstand nehmen möchte. Die Parteien müssen sich darauf einstellen, ihren Vortrag nicht mehr in einer mündlichen Verhandlung ergänzen oder erläutern zu können. Diese Möglichkeit ist der Klägerin zu 1) durch die Verfahrensweise des Berufungsgerichts vorenthalten worden. Durch den gerichtlichen Hinweis, "neuer Termin" werde "von Amts wegen" ergehen, musste sie nicht mit einem Verwerfungsbeschluss ohne mündliche Verhandlung rechnen. Das Berufungsgericht hätte vor der Entscheidung vielmehr - mit Gelegenheit zur Stellungnahme - deutlich machen müssen, nach seiner Rechtsauffassung sei keine mündliche Verhandlung mehr erforderlich und die Berufung könne durch Beschluss verworfen werden.

[15]b) Dennoch verhilft dies der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf dieser Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beruht (vgl. BGH Urt. v. 27.3.2003 - V ZR 291/02 - NJW 2003, 1943, 1946). Die Rechtsbeschwerde hat nämlich nur dargelegt, dass die Klägerin zu 2) - hätte das Berufungsgericht wie angekündigt mündlich verhandelt - in der mündlichen Verhandlung dem Rechtsstreit wieder beigetreten wäre. Auch dadurch hätte indessen - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - eine Verwerfung der Berufung der Klägerin zu 1) als unzulässig nicht verhindert werden können.

[16]II. Rechtsbeschwerde der Klägerin zu 2):

[17]Die Rechtsbeschwerde der Klägerin zu 2) ist bereits deshalb unzulässig, weil sie durch den im Berufungsverfahren erklärten Parteiwechsel auf die Klägerin zu 1) aus dem Rechtsstreit ausgeschieden und damit nicht mehr Partei ist.

[18]III. Soweit es im Tenor der angegriffenen Entscheidung heißt, "die Berufung der Klägerin zu 2)" werde zurückgewiesen, liegt eine offensichtliche Unrichtigkeit vor, die nach § 319 Abs. 1 ZPO jederzeit von Amts wegen - auch vom Rechtsmittelgericht (BGH Urt. v. 3.7.1996 - VII ZR 221/95 - NJW 1996, 2574, 2576; BGHZ 106, 370, 373) - berichtigt werden kann. Aus den Urteilsgründen ergibt sich zweifelsfrei, dass das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin zu 1) wegen Unzulässigkeit verworfen hat. Über die Berufung der Klägerin zu 2) sei dagegen nach deren Ausscheiden aus dem Rechtsstreit infolge des Parteiwechsels "nicht zu entscheiden". Der Tenor war deshalb wie geschehen zu berichtigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1572697

BB 2006, 2038

DStZ 2006, 747

BGHR 2006, 1436

FamRZ 2006, 1750

NJW-RR 2006, 1628

NZG 2006, 799

ZIP 2006, 2188

AG 2006, 891

AnwBl 2007, 31

MDR 2007, 101

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 4 Wie groß sind die Grenzabstände?
    1.879
  • Abfall, Müll und Verwahrlosung im Nachbarrecht
    221
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 8 Die Ausschlussfrist für den Beseitigungs- und Rückschnittsanspruch
    204
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 4.6 Niedersachsen
    134
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 4.1 Baden-Württemberg
    113
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 4.12 Schleswig-Holstein
    104
  • Geh- und Fahrrecht
    90
  • Abfall, Müll und Verwahrlosung im Nachbarrecht / 1 Lagerung von Müll/Abfall auf dem Nachbargrundstück
    73
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 4.8 Rheinland-Pfalz
    66
  • Wärmepumpen / 6.2 Absetzbare Kosten bei der Einkommenssteuer für Gebäudesanierung
    63
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken
    53
  • Gerüche aus der Nachbarschaft / 2.7 Rauchen auf dem Balkon
    49
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 4.5 Hessen
    44
  • Gebäudeeinsturz und herabfallende Gebäudeteile (Verkehrssicherung)
    42
  • Mietrecht (ZertVerwV) / 3.2 Kündigung aus wichtigem Grund
    38
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 4.13 Thüringen
    36
  • Schlichtungsverfahren bei Nachbarstreitigkeiten
    36
  • Betretungsrechte im Nachbarrecht
    35
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 5 Messen der Grenzabstände
    31
  • Verkehrssicherungspflichten des Grundstückseigentümers / 1.5 Geschützter Personenkreis
    29
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt VerwalterPraxis Gold
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop

Produktempfehlung


Zum Thema Immobilien
BGH: Die Ankündigung eines Antrags ist selbst noch kein Antrag
Kalender Frist Nadel
Bild: Wellnhofer Designs

Die Ankündigung eines Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist enthält weder unmittelbar noch konkludent den angekündigten Antrag auf Fristverlängerung.


BGH: Kanzleischlüssel vergessen, Berufungsfrist versäumt
Schlüssel auf weißem Untergrund
Bild: PhotoDisc Inc.

Der BGH hat einer Anwältin, die ihren Büroschlüssel in ihrer Kanzlei vergessen hatte und die Kanzlei deshalb am Abend des Fristablaufs für eine Berufung nicht mehr betreten konnte, eine Wiedereinsetzung verwehrt.


BGH: Zurückweisung der Berufung nicht vor Eingang der Berufungsbegründung
Richter im Gerichtssaal
Bild: Haufe Online Redaktion

Hält ein Gericht eine Berufung für offensichtlich aussichtslos, so darf es diese nach entsprechendem Hinweis ohne mündliche Verhandlung zurückweisen. Vor Eingang der Berufungsbegründung ist schon der Hinweis auf diese Absicht unzulässig.


Rechtssicherheit für die Verwalterpraxis: WEG-Recht
WEG-Recht
Bild: Haufe Shop

Bleiben Sie als Verwalter:in auf dem Laufenden zum sich ständig verändernden WEG-Recht. Informieren Sie sich über aktuelle Urteile, um teure juristische Fehler zu vermeiden und Konflikte mit Eigentümern ohne gerichtliche Hilfe lösen zu können.


BGH XII ZB 553/14
BGH XII ZB 553/14

  Entscheidungsstichwort (Thema) Beschwer des Beklagten durch klageabweisendes Prozessurteil. Verpachtung zum Betrieb eines Reiter- und Pferdehofs. Nichtigkeit eines Pachtvertrags. schriftsätzliches Anerkenntnis. Beschwer des Rechtsmittelführers  Leitsatz ...

4 Wochen testen


Newsletter Immobilien
Bild: Haufe Online Redaktion
Newsletter ImmobilienVerwaltung

Aktuelle Informationen aus dem Bereich Immobilienverwaltung frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Rechtsprechung
  • Miet- und Wohnungseigentumsrecht
  • energetische Sanierung
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Sie müssen den AGB zustimmen
Haufe Fachmagazine
Zum Immobilien Archiv
Themensuche A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z #
Haufe Group
L'Immo-Podcast: Alle Folgen
Haufe Onlinetraining
Haufe HR-Software
Haufe Digitale Personalakte
Haufe Akademie
rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS
Newsletter
FAQ
Mediadaten
Presse
Editorial Code of Conduct
Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz
Netiquette
Sitemap
Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt

Kontakt & Feedback
AGB

Compliance
Datenschutz
Impressum
Haufe Immobilien Shop
Immobilien Lösungen
Immobilien-Verwaltung Produkte
Wohnungswirtschaft Lösungen
Private Vermietung Produkte
Alle Immobilien Produkte
 

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren
    OSZAR »