Rechtsfragen zum Thema sexuelle Belästigung

Sexuelle Belästigung im betrieblichen Umfeld trifft nicht nur Frauen, sondern auch Männer. Die kürzlich veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt: 24 Prozent der beschäftigten Frauen haben selbst oder in ihrem Arbeitsumfeld Fälle sexueller Belästigung erlebt. Bei den Männern sind es 15 Prozent.
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: aktuelle Zahlen
Rund 13 Prozent der befragten Betriebe mit 50 und mehr Beschäftigten berichteten von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in den vergangenen zwei Jahren. Dabei fanden die Fälle überwiegend unter den Beschäftigten selbst statt, gefolgt von Fällen, in denen die sexuelle Belästigung von Kunden, Geschäftspartnern oder Patienten ausging. Etwa ein Prozent der Betriebe berichtete über Fälle sexueller Belästigung mit Beteiligung einer Führungskraft.
Solche Vorfälle haben negative Auswirkungen auf das ganze Unternehmen, ergab die Studie: 72 Prozent der Betriebe berichten von einer schlechteren Arbeitsmoral und weniger Produktivität der Beschäftigten. Knapp die Hälfte sieht zudem höhere Abwesenheitszeiten und eine gestiegene Personalfluktuation als Folgen.
Regelmäßig stellen sich auch rechtliche Fragen in diesem Zusammenhang. Wo sind die Grenzen zwischen angemessenem und unangemessenem Verhalten? Wann und in welcher Form müssen Arbeitgeber bei sexueller Belästigung im Betrieb reagieren?
AGG schützt vor sexueller Belästigung
Sexuelle Belästigungen sind Diskriminierungen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt Beschäftigte vor jeder Form der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz. Es verpflichtet Arbeitgeber zudem dazu, präventiv für ein sicheres Arbeitsumfeld zu sorgen und bei Vorfällen sexueller Belästigung zu handeln.
Was zählt als sexuelle Belästigung?
Sexuelle Belästigungen sind insbesondere unerwünschter Körperkontakt wie Tätscheln, Umarmen oder Küssen, aber auch unerwünschte Bemerkungen wie zweideutige Kommentare und Witze sexuellen Inhalts. Ebenso dazu zählen Aufforderungen zu sexuellen Handlungen, anzügliche Verhaltensweisen wie Hinterherpfeifen oder das Verschicken von unerwünschten E-Mails, SMS, Fotos oder Videos mit sexuellem Bezug.
Dabei ist aus rechtlicher Sicht nicht zwingend nötig, dass die belästigende Person mit sexueller Absicht handelt. Häufig dienen sexuelle Belästigungen zur Machtdemonstration. Es reicht aus, dass das unerwünschte, objektiv sexuell bestimmte Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird - insbesondere dann, wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Welche Präventionsmaßnahmen können Unternehmen ergreifen?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verpflichtet Unternehmen dazu, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, um sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz zu verhindern. Zur Prävention empfiehlt § 12 Abs. 2 AGG Unternehmen insbesondere die Durchführung von Schulungen oder Fortbildungen sowie, die Beschäftigten über ihre Rechte zu informieren. Das kann durch das Auslegen oder Aushängen von Broschüren, Plakaten und Informationen über eine Beratungsstelle geschehen.
Gemäß § 13 AGG müssen Unternehmen eine Stelle einrichten, bei der Beschäftigte Beschwerden einreichen können, wenn sie am Arbeitsplatz diskriminiert werden, wozu auch eine sexuelle Belästigung zählt. Diese Anlaufstelle kann beispielsweise in der Personalabteilung, beim Betriebsrat oder Extern angesiedelt sein. Das (anonyme) Beschwerdeverfahren für Fälle der sexuellen Belästigung sollte klar geregelt sein.
Um ein sicheres Arbeitsumfeld zu schaffen, sollte sich die Geschäftsleitung darüber hinaus für eine Null-Toleranz-Unternehmenskultur im Falle von sexuellen Belästigungen aussprechen. Sinnvoll ist es auch, Mitarbeitenden konkrete Verhaltensregeln an die Hand zu geben, beispielsweise in einem Code of Conduct.
Welche Handlungspflichten haben Arbeitgeber bei sexueller Belästigung im Betrieb?
Falls es zu Vorfällen sexueller Belästigung im Betrieb kommt, sind Arbeitgeber verpflichtet, richtig und konsequent darauf zu reagieren. Das gebietet schon die Fürsorgepflicht sowie das AGG (§ 12 Abs. 4). Danach müssen Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden vor Benachteiligungen schützen. Das gilt sowohl bei Benachteiligungen durch eigene Mitarbeitende als auch bei Benachteiligungen durch betriebsfremde Dritte wie Dienstleister, Kunden oder Lieferanten. Unterlässt der Arbeitgeber das, kann der Mitarbeiter und die Mitarbeiterin unter Umständen Schadensersatz verlangen oder die Arbeitsleistung verweigern. Die Voraussetzung ist jedoch immer ein betrieblicher Bezug.
Sexuelle Belästigung: Welche arbeitsrechtliche Maßnahme ist die richtige?
Kommt es zu einer sexuellen Belästigung durch Beschäftigte, sehen § 12 Abs. 2 und Abs. 3 AGG repressive Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung vor. Welches Mittel das richtige ist, ist immer abhängig davon, wie schwer der einzelne Verstoß ist. Bei sehr leichten Verstößen kann der Arbeitgeber es möglicherweise bei einer Ermahnung belassen, bei schwerwiegenden Verstößen kommt auch eine fristlose Kündigung ohne vorhergehende Abmahnung in Betracht.
Bei der Überlegung, welches die angemessene Reaktion auf eine sexuelle Belästigung ist, muss der Arbeitgeber auf die Verhältnismäßigkeit achten und wie bei sämtlichen arbeitsrechtlich relevanten Pflichtverstößen zunächst entscheiden, ob der betroffene Arbeitnehmer sein Verhalten zukünftig ändern kann. Falls der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin den Verstoß einsieht und bereut, kann eine Abmahnung ihre Warnfunktion erfüllen. Leugnet er oder sie aber oder bagatellisiert das Verhalten, muss der Arbeitgeber über weitergehende arbeitsrechtliche Mittel wie eine Umsetzung, Versetzung oder Kündigung nachdenken. Grundsätzlich ist eine Kündigung jedoch immer das letzte Mittel der Wahl.
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