Preisanpassungsklausel von Amazon-Prime ist rechtswidrig

Die Entscheidung des LG könnte für Amazon teuer werden. Die im September 2022 von Amazon verfügte Erhöhung des Jahresbeitrags für Prime-Kunden, die den Streamingdienst von Amazon in Anspruch nehmen, war nach dem Urteil des LG unwirksam. Verbraucherschützer wollen die hieraus resultierenden Überzahlungen der Kunden im Wege einer Sammelklage zurückfordern. Amazon seinerseits erwägt allerdings die Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Düsseldorfer Entscheidung.
Amazon behält sich in AGB einseitige Preisanpassung vor
Die strittige AGB-Klausel, gegen die die Verbraucherschützer gerichtlich geklagt hatten, lautet: „Wir sind berechtigt, die Mitgliedsgebühr nach billigem Ermessen und sachdienlich gerechtfertigten sowie objektiven Kriterien anzupassen“. Zu den objektiven Kriterien erwähnte die Klausel eine mögliche Inflation, wesentliche Änderungen der allgemeinen Kosten, Lohnerhöhungen und Steuererhöhungen. Auf der Grundlage dieser Klausel hatte Amazon die Beiträge für die Mitgliedschaft von Prime-Kunden im September 2022 erhöht.
Amazon begründete Preisanpassung mit Inflation und Kostenänderungen
Amazon begründete die Preiserhöhung seinerzeit mit den generell eingetretenen Kostensteigerungen aufgrund der hohen Inflation. Der Beitrag für monatlich zahlende Prime-Kunden erhöhte sich von 7.99 Euro auf 8,99 Euro, für jährlich zahlende Kunden von 69 Euro auf 89,90 Euro. Letzteres entspricht einer Erhöhung von 30 %.
Preisanpassungsklausel unterliegt Inhaltskontrolle der AGB
Das LG Düsseldorf erklärte die Klausel nun für unzulässig. Bei der Preisanpassungsklausel handle sich um eine Bestimmung in den AGB, die es Amazon gestatte, das vereinbarte Entgelt für die Mitgliedschaft und damit die Leistungsverpflichtung des Kunden einseitig zu ändern. Die Klausel unterliege damit der Inhaltskontrolle für AGB gemäß § 307 Abs. 1 BGB. Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB könne sich eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers u.a. daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich formuliert ist. Dies sei vorliegend der Fall.
Einseitige Preisanpassungsklausel nur bei berechtigtem Interesse des Verwenders
Das LG betonte, dass bei Dauerschuldverhältnissen ein berechtigtes Interesse an einer Anpassung der zu zahlenden Entgelte bei geänderten Kosten gerechtfertigt sein kann. Dies gelte insbesondere, wenn der Verwender sich gegen bei Vertragsschluss nicht zu überschauende Kostensteigerungen absichern wolle (BGH, Urteil v. 15.11.2017, III ZR 247/06).
Mindestanforderungen an Transparenz und Vorhersehbarkeit
Eine durch gerechtfertigte Interessen des Verwenders zulässige Preisanpassungsklausel setze voraus, dass die Klausel bestimmten Mindestanforderungen an Transparenz und Vorhersehbarkeit genügt (BGH, Urteil v. 31.7.2013, VIII ZR 162/09). Hierzu müsse das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Verwenders in einer Weise konkretisiert sein, dass der Kunde die Voraussetzungen und Bedingungen für eine Änderung des zu zahlenden Entgelts einschätzen und vorhersehen kann (BGH Urteil v. 9.5.2012, XII ZR 79/10). Diese Mindestanforderungen seien vorliegend nicht erfüllt.
Preisanpassungen für den Kunden schwer einzuschätzen
Nach der Bewertung des LG sind im Hinblick auf die gewählten Formulierungen die Voraussetzungen für eine Erhöhung des Mitgliedspreises für einen Durchschnittsverbraucher nur schwer zu durchschauen. Die Klausel eröffne Amazon einen Ermessensspielraum für Preisänderungen nach allgemeinen Billigkeitserwägungen, ohne konkret zu definieren, wann und in welcher Höhe mit Preisänderungen zu rechnen sei. Der Verweis auf generelle und wesentliche Kostenänderungen infolge von Inflation sei zu unbestimmt und eröffne für Amazon einen vom Verbraucher nicht zu kontrollierenden Freiraum.
Verstoß gegen das Transparenzgebot
Die mangelnde Überprüfbarkeit für den Verbraucher ist nach Auffassung des Senats auch Folge der sehr diversen Angebotspalette von Amazon-Prime. Das Angebot umfasse unterschiedlichste Leistungen im Rahmen des Versands von Waren bis hin zu Streaming-Angeboten. Ob in den jeweiligen Segmenten wesentliche Kostensteigerungen infolge der Inflation zu verzeichnen sind, sei für den Durchschnittsverbraucher nur schwer einschätzbar. Deshalb verstoße die einseitige Preisanpassungsklausel auch gegen das Transparenzgebot.
Alternative für Amazon: Änderungskündigung
Darüber hinaus berücksichtigte das LG, dass Amazon nach den verwendeten AGB das Recht hat, die Prime-Verträge gegenüber den Kunden mit einer Frist von 14 Tagen zu kündigen. Eine solche Kündigung könne gegebenenfalls mit einfacher E-Mail erfolgen. Damit stehe Amazon eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Verfügung, geschlossene Verträge zu kündigen und den Kunden gleichzeitig einen neuen Vertrag zu geänderten Bedingungen (Änderungskündigung) anzubieten.
Missbrauch der Preisanpassungsklausel nicht ausgeschlossen
Vor diesem Hintergrund kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass nicht auszuschließen sei, dass Amazon die Klausel dazu missbrauchen könne, im Nachhinein das bei Vertragsschluss bestehende Preis-Leistungs-Verhältnis einseitig zum Nachteil der Kunden zu verschieben. Die Preiserhöhungsklausel verstoße daher in der Gesamtschau gegen das Benachteiligungsverbot des § 307 Abs. 1 BGB und sei damit unwirksam.
Amazon kann noch Rechtsmittel einlegen
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Amazon hat angekündigt, die Urteilsgründe genau prüfen zu lassen und gegebenenfalls vom Rechtsmittel der Berufung Gebrauch zu machen.
(LG Düsseldorf, Urteil v. 15.1.2025, 12 O 293/22)
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