1. Verbindung von Verfahren und Erstreckung (§ 48 Abs. 6 RVG)
Den Ausführungen des LG unter II. zur Verbindung und Erstreckung ist nichts hinzuzufügen. Sie sind zutreffend. Mit dem KostRÄG 2021 v. 21.12.2020 hat sich ab 1.1.2021 der frühere Streit um die Anwendung und Auslegung von § 48 Abs. 6 S. 1 RVG erledigt (Burhoff, RVGreport 2020, 402, 403 f.; Ders., StraFo 2021, 8, 10; Ders., StRR 1/2021, 5, 8; Ders., AGS 2021, 49; Volpert, AGS 2020, 445, 450). Der Verteidiger/Rechtsanwalt muss daher darauf achten, dass zunächst verbunden wird und dann die Bestellung zum Pflichtverteidiger erfolgt. Dann ist ein besonderer Erstreckungsantrag nicht erforderlich. Etwas anderes gilt in den Fällen, in denen nach der Bestellung erst (hinzu-)verbunden wird.
2. Verhältnis Grundgebühr/Verfahrensgebühr
a) Vehement zu widersprechen ist allerdings den Ausführungen des LG zum Entstehen der Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV. Insoweit ist die Entscheidung fehlerhaft, und zwar ebenso wie eine des LG Siegen (Beschl. v. 19.2.2024 – 10 Qs 4/24, AGS 2024, 211) und eine des LG Koblenz (Beschl. v. 18.11.2024 – 3 Qs 45/24). Ebenso wie diese LG verkennen hier das AG und auch das LG Magdeburg das Zusammenspiel von Grundgebühr und Verfahrensgebühr. Das ist umso bedauerlicher (und unverständlicher), weil die Fragen an sich durch das 2. KostRMoG seit 2013 geklärt sind. Von daher ist mir unverständlich, warum auf einmal die Gerichte von der m.E. eindeutigen Regelung abweichen.
b) Obwohl ich bereits mehrfach zu der Problematik Stellung genommen habe, hier noch einmal: Das LG erkennt im Ansatz noch richtig, dass nach Anm. 1 zur Nr. 4100 VV die Grundgebühr Nr. 4100 VV und die Verfahrensgebühr – hier die Nr. 4104 VV für das vorbereitende Verfahren – nebeneinander entstehen (vgl. Burhoff, AGS 2021, 433). Voraussetzung für das Entstehen der/dieser Gebühren des Rechtsanwalts sind, auch insoweit ist das LG noch auf dem richtigen Weg, vom Rechtsanwalt für den Mandanten erbrachte Tätigkeiten. Dazu stellt das LG auf das Akteneinsichtsgesuch des Pflichtverteidigers ab und meint, dass da der Pflichtverteidiger nach seiner Ansicht, die man anhand des Beschlusses nicht prüfen kann, (offenbar) weitere Tätigkeiten nicht erbracht hat, die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV nicht entstanden bzw. deren Anwendungsbereich nicht erreicht sei. Dabei übersieht es aber, dass immer mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts die jeweilige Verfahrensgebühr als sog. Betriebsgebühr entsteht und daneben zugleich die Grundgebühr Nr. 4100 VV. Diese honoriert (nur) den zusätzlichen Aufwand, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt. Sie ist eine Art Verfahrensgebühr mit dem Charakter einer Zusatzgebühr, die den Rahmen der Verfahrensgebühr erweitert (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Nr. 4100 VV Rn 26 m.w.N. aus der Rspr.). Ich empfehle die Lektüre der Gesetzesmaterialien in BR-Drucks 517/12, 439 = BT-Drucks 1771471, 281. Es ist nicht so, wovon aber offenbar das LG ausgeht, dass wenn der Verteidiger nur Tätigkeiten erbringt, die vom Anwendungsbereich der Grundgebühr Nr. 4100 VV erfasst werden, die Verfahrensgebühr – hier also die Nr. 4104 VV – wieder wegfällt.
Vielmehr verlagert sich die Problematik in den Bereich der Bemessung der Verfahrensgebühr, die ggf., wenn weitere Tätigkeiten "zum Betreiben des Geschäfts" nicht erbracht werden, nur i.H.d. Mindestgebühr anfällt (so zutreffend LG Hagen, Beschl. v. 23.4.2018 – 43 Qs 14/18). Damit haben wir es hier aber nicht zu tun, da es nicht um Wahlanwaltsgebühren geht, sondern um die gesetzlichen Gebühren des Pflichtverteidigers, bei denen es sich um Festbetragsgebühren handelt.
In dem Zusammenhang: Man hat bei den Entscheidungen, die das anders/falsch sehen, den Eindruck, als ob die häufig auch in der Richtung Stellung nehmenden Vertreter der Staatskasse aber auch AG/LG den Verteidigern die Verfahrensgebühren nicht "gönnen" und deshalb das Verhältnis Grundgebühr/Verfahrensgebühr so falsch sehen. Dass der Verteidiger in diesen Fällen ggf. für eine sehr geringe Tätigkeit eine Verfahrensgebühr erhält, ist aber nun mal Folge der gesetzlichen Regelung und eben auch des Pauschalgebührencharakters der Pflichtverteidigervergütung. Das kann und darf man so nicht korrigieren. Zumal man damit das gesetzgeberische Anliegen, das 2013 zu den Änderungen in der Nr. 4100 VV durch das 2. KostRMoG geführt hat, konterkariert. Denn man kommt dann wieder in die Diskussion um das Verhältnis und den Abgeltungsbereich der Grundgebühr/Verfahrensgebühr, die der Gesetzgeber mit den Änderungen gerade beenden wollte.
c) Die Ausführungen des LG, dass der Verteidiger weitere, über die erste Einarbeitung in den jeweiligen Fall hinausgehende Tätigkeiten im Verfahren V 1 bis zur kurze Zeit später erfolgten Verfahrensverbindung nicht vorgetragen habe und solche nach Lage der Dinge unter Berücksichtigung des Verfahrensstadiums auch nicht zu erwarten gewesen seien, führen zu folgendem Hinweis: Verteidiger sollten in vergleichbaren Fällen auf jeden Fall v...