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BSG Urteil vom 20.09.2001 - B 11 AL 30/01 R

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Beteiligte

Bundesanstalt für Arbeit

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. März 2001, soweit es den Erstattungsanspruch der Beklagten für den Erstattungszeitraum 1. Oktober 1995 bis 30. November 1995 betrifft, und im Kostenpunkt aufgehoben; insoweit wird die Sache an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

 

Gründe

I

Der Rechtsstreit betrifft die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) sowie Beiträgen zur Sozialversicherung gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).

Der am 8. Dezember 1933 geborene H. war vom 22. Januar 1980 bis zum 31. August 1994 in der früheren Zentralmetzgerei der Klägerin als ungelernter Metzger beschäftigt. Die Zentralmetzgerei war ein unselbständiger Betrieb der Klägerin. Die Kündigungsfrist des H. betrug fünf Monate zum Monatsende. Am 30. April 1994 kündigte die Klägerin H. zum 31. Oktober 1994. Gegen die am 6. Mai zugegangene Kündigung erhob H. Kündigungsschutzklage. Der Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Frankfurt (Az.: 6 Ca 4392/94) am 1. August 1994 endete mit dem Auflagenbeschluß, die Klägerin möge die betriebsbedingten Gründe für die Kündigung und die getroffene Sozialauswahl darlegen. Daraufhin schlossen die Klägerin und H. folgenden außergerichtlichen Vergleich:

  1. Das Arbeitsverhältnis der (arbeitsgerichtlichen) Parteien endet aufgrund arbeitgeberseitiger betriebsbedingter Kündigung vom 30. April 1994 zum 31. August 1994.
  2. Bis zum 31. August 1994 wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgewickelt. Insbesondere wird H., der bis zu diesem Zeitpunkt nicht genommene Urlaub abgegolten.
  3. Die Firma Steigenberger Hotels AG zahlt an H. als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes gemäß §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) iVm § 3 Ziff 9 Einkommensteuergesetz 25.600 DM brutto für netto.
  4. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung ist der Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Az.: 6 Ca 4392/94, erledigt.

H. nahm hiernach mit Schriftsatz vom 4. November 1994 die Kündigungsschutzklage mit Hinweis auf die außergerichtliche Einigung zurück.

Vom 8. November 1994 bis zum 30. November 1995 bezog H. Alg. Im Anschluß hieran bezog er Altersruhegeld. Nach Anhörung stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin deren Erstattungspflicht gemäß § 128 AFG dem Grunde nach für längstens 624 Tage fest und forderte die Erstattung des an H. für die Zeit vom 8. November 1994 bis 6. Februar 1995 gezahlten Alg zuzüglich der Sozialversicherungsbeiträge (Bescheide vom 10. April 1995, Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 1996).

Gegen die Bescheide der Beklagten hat die Klägerin Klage erhoben. Während des Rechtsstreits vor dem Sozialgericht (SG) hat die Beklagte mit fünf Abrechnungsbescheiden vom 24. Februar 1998 die Erstattung der Leistungen an H. in dem Leistungszeitraum vom 8. November 1994 bis zum 30. November 1995 in Höhe von insgesamt 23.521,42 DM (Arbeitslosengeld von 14.229,10 DM, Beiträge zur Krankenversicherung von 4.294,06 DM und zur Rentenversicherung von 5.091,32 DM) geltend gemacht. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Beklagte erklärt, sie halte nur noch die Bescheide vom 24. Februar 1998 aufrecht. Das SG hat die Bescheide mit Urteil vom 23. Juni 1999 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Erstattungspflicht entfalle, da die Klägerin das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung iS von § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG beendet habe. Der nach der Kündigung geschlossene Aufhebungsvertrag habe lediglich die Folgen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Hinnahme der Kündigung geregelt und nicht das Arbeitsverhältnis selbst beendet.

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Die Beklagte habe zutreffend von der Klägerin Erstattung gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 AFG verlangt. H. erfülle nicht die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 2 bis 4 AFG genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Die Erstattungspflicht sei auch nicht gemäß § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 entfallen. Nicht die Kündigung habe das Arbeitsverhältnis beendet, sondern die Vereinbarung stelle einen Aufhebungsvertrag dar, der die Kündigung ersetzt habe. Durch die außergerichtliche Vereinbarung sei das Ende des Arbeitsverhältnisses vom 30. Oktober 1994 auf den 31. August vorverlagert und zudem die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 25.600 DM vereinbart worden. Die Klägerin sei daran interessiert gewesen, H. bereits vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist so schnell wie möglich nicht mehr weiterbeschäftigen zu müssen. Die getroffene Vereinbarung besitze einen wesentlich anderen Inhalt als die einseitig erklärte Kündigung. Die Vereinbarung regele nicht nur die Folgen oder Abwicklung der zuvor einseitig ausgesprochenen Kündigung, sondern treffe eine gänzlich neue und zwar übereinstimmende Regelung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das Vorliegen weiterer Ausnahmen von der Erstattungspflicht sei nicht ersichtlich. Auch die Höhe der Erstattungsforderung der Beklagten sei nicht zu beanstanden.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG sowie der §§ 130 Abs 1, 133 und 779 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie der §§ 794 Abs 1 und 1044b Zivilprozeßordnung. Die Auffassung des LSG, das Arbeitsverhältnis sei durch Aufhebungsvertrag beendet worden, stehe im Widerspruch zu § 130 BGB. Die Kündigungserklärung entwickle mit Zugang beim Erklärungsempfänger unmittelbar rechtsgestaltende Wirkung. Diese Wirkung könne nur durch einvernehmliche Parteivereinbarung mit dem Inhalt, die Kündigung sei unwirksam oder aber das Arbeitsverhältnis bestehe fort, beseitigt werden. Die Vereinbarung habe das Arbeitsverhältnis nicht konstitutiv beenden können, da es bereits aufgrund der Kündigung beendet gewesen sei. Der ausdrückliche Wortlaut der Vereinbarung zeige, daß sich die getroffene Vereinbarung von einem Aufhebungsvertrag dadurch unterscheide, daß die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur hingenommen werde und nur die sich hieraus ergebenden Folgen geregelt würden. In Ziffer 1 sei vereinbart, daß die Kündigung konstitutiv für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei. Es handele sich lediglich um einen Abwicklungsvertrag, der nach Rechtsprechung und Lehre nicht mit einem Aufhebungsvertrag gleichzusetzen sei. Bei der Vereinbarung handele es sich um einen Vergleich gemäß § 779 Abs 1 BGB mit dem Rechtsklarheit dadurch geschaffen worden sei, daß die Parteien einen Sachverhalt als feststehend zugrunde gelegt haben. Da eine arbeitgeberseitige Kündigung vorliege, sei als weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG das Vorliegen der sozialen Rechtfertigung zu prüfen. Der Weiterbeschäftigung des H. hätten betriebsbedingte Gründe entgegengestanden. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß der Arbeitsplatz des H. durch die unternehmerische Entscheidung, keine Hilfstätigkeiten mehr in der Zentralmetzgerei durchführen zu lassen, weggefallen sei und dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung entgegengestanden hätten. Da es keine vergleichbaren Arbeitnehmer gegeben habe, sei auch keine Sozialauswahl durchzuführen gewesen und andere freie Arbeitsplätze in Hotelbetrieben seien nicht vorhanden gewesen.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es handele sich um Tatfragen, wenn es darum gehe, welche Erklärungen die Klägerin und H. bei der Vereinbarung am 22. September 1994 abgegeben und was sie gemeint haben. Das LSG habe mit bindender Wirkung festgestellt, daß die Kündigung die Vereinbarung ersetzt und das Arbeitsverhältnis übereinstimmend vorzeitig und gegen Zahlung einer Abfindung beendet habe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

II

Die Revision ist hinsichtlich des Erstattungszeitraums vom 1. Oktober 1995 bis 30. November 1995 im Sinne der Zurückverweisung begründet. Im übrigen ist die Revision unbegründet.

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nur noch die Abrechnungsbescheide vom 24. Februar 1998, die gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden sind. Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs der Beklagten ist § 128 AFG (eingefügt durch das Gesetz zur Änderung der Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992, BGBl I 2044, idF vom 15. Dezember 1995, BGBl I 1824).

1. Der Senat kann die Klagabweisung durch das LSG nicht in vollem Umfang bestätigen, weil den Feststellungen des LSG nicht entnommen werden kann, ob H. bereits vor dem 1. Dezember 1995 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit hätte beanspruchen können. Nach § 128 Abs 1 Satz 2 AFG tritt die Erstattung für die Zeit nicht ein, für die der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 2 bis 4 AFG genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt. Anhaltspunkte für gesundheitliche Beeinträchtigungen des H., die einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hätten begründen können, hat das LSG nicht festgestellt. Das LSG hat jedoch nicht geprüft, ob H. bereits vor dem 1. Dezember 1995 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit beanspruchen konnte. Die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit setzt nach der hier anwendbaren Fassung des § 38 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (≪SGB VI≫; durch das RRG 1992 vom 18. Dezember 1989, BGBl I, 2261) voraus, daß der Versicherte das 60. Lebensjahr vollendet hat (Nr 1), arbeitslos ist und innerhalb der letzten 1 1/2 Jahre vor Beginn der Rente insgesamt 52 Wochen arbeitslos war oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen hat (Nr 2), in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeitragszeiten hat, wobei sich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten sind, verlängert (Nr 3), und die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt hat (Nr 4). Ob H. die Voraussetzungen für eine vorgezogene Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bereits vor dem 1. Dezember 1995 erfüllte, kann aufgrund der Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden. Der Begriff der Arbeitslosigkeit iS des § 38 SGB VI setzt nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung (BSGE 21, 21, 22 = SozR Nr 12 zu § 1259 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫; 35, 85, 86 = SozR Nr 61 zu § 1248 RVO; vgl auch Bundessozialgericht ≪BSG≫ SozR 3-1300 § 30 Nr 9) und Literatur (vgl nur Niesel in: Kasseler Kommentar § 38 SGB VI RdNr 13 f; Löns in: Kreikebohm, SGB VI, § 38 RdNr 7; Verbandskommentar § 38 RdNr 9) nicht notwendig voraus, daß der Arbeitslose sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat. Dies entspricht auch der Praxis der Versicherungsträger (vgl BfA-Praxis § 38 Anm 2, Stand 10/1992). Es ist deshalb nicht auszuschließen, daß H. bereits nach Abschluß des Aufhebungsvertrages am 22. September 1994 die Merkmale der Arbeitslosigkeit iS des § 38 SGB VI erfüllte und deshalb eine Rente nach § 38 SGB VI frühestens ab 1. Oktober 1995 (§ 99 Abs 1 SGB VI) hätte beanspruchen können. Maßgebend dafür dürfte sein, ob festgestellt werden kann, daß H. ernstlich arbeitsbereit (vgl BSGE 35, 85, 86 = SozR Nr 61 zu § 1248 RVO; BSG SozR 2200 § 1248 Nr 15, 28) war. Führen die Feststellungen des LSG zu dem Ergebnis, daß H. nach § 38 SGB VI bereits vor dem 1. Dezember 1995 Altersrente hätte beanspruchen können, so ist das der Anfechtungsklage stattgebende Urteil des SG insoweit vom LSG zu bestätigen.

2.1 Im übrigen liegen die Voraussetzungen für eine Erstattungspflicht der Klägerin vor. Gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Bundesanstalt für Arbeit vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage. Diese Voraussetzungen sind nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG erfüllt. H. stand innerhalb der letzten vier Jahre vor dem 8. November 1994 mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung bei der Klägerin. Die Erstattungsforderung bezieht sich auf die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des 1933 geborenen H. Die Höchstdauer von 624 Tagen ist nicht überschritten. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, daß das Arbeitsverhältnis mit H. vor Vollendung des 56. Lebensjahres beendet worden ist (§ 128 Abs 1 Satz 2 AFG).

2.2 Zu Recht hat das LSG den von der Klägerin geltend gemachten Ausnahmetatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG verneint. Nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, daß er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat. Die Klägerin hat das Arbeitsverhältnis mit H. nicht durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung iS des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG beendet, denn das Arbeitsverhältnis des H. ist nicht durch die am 6. Mai zugegangene Kündigung, sondern durch den später geschlossenen außergerichtlichen Vergleich beendet worden. Die Vereinbarung stellt – wie das LSG zutreffend erkannt hat – einen Aufhebungsvertrag dar. Die Klägerin hat vor Abschluß des außergerichtlichen Vergleichs H. am 30. April 1994 mit Wirkung zum 31. Oktober 1994 gekündigt. Ob die im Vergleich getroffene Vereinbarung einen Abwicklungsvertrag darstellte (vgl hierzu zB Hümmerich, BB 1999, 1868), mit dem lediglich die Folgen der rechtlich fortbestehenden Kündigung geregelt werden sollten, oder ob es sich um einen Aufhebungsvertrag gehandelt hat, durch den die ursprüngliche Kündigung zurrückgenommen wurde und der als neuer Rechtsgrund konstitutiv für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses war, ist abhängig von dem Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärungen. Deren Feststellung fällt in den Aufgabenbereich der Tatsachengerichte. Die Überprüfung des Revisionsgerichts beschränkt sich darauf, ob die Feststellung des Inhalts rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen durch das Tatsachengericht anerkannte Auslegungsgrundsätze verletzt (BSG vom 9. November 1995 – 11 RAr 27/95 –, BSGE 77, 49, 50 f = SozR 3-4100 § 119 Nr 9 mwN). Der übereinstimmende Wille der Parteien des Aufhebungsvertrags, diese Vereinbarung zum alleinigen Rechtsgrund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu machen, ist nach den gesamten vom LSG herangezogenen Umständen festgestellt. Wenn aber ein übereinstimmender Wille der Vertragspartner festgestellt werden kann, kommt es auf andere Auslegungskriterien von vornherein nicht mehr an (s BSG SozR 3-2200 § 1265 Nr 13 S 88 f; BSG vom 4. September 2001 – B 7 AL 64/00 R –).

Das LSG hat ausgeführt, daß durch die außergerichtliche Vereinbarung nicht nur das Ende des Arbeitsverhältnisses von dem 30. Oktober 1994 auf den 31. August 1994 vorverlegt, sondern zusätzlich die Zahlung einer Abfindung sowie die Erledigung des Kündigungsschutzprozesses vereinbart worden sei. Der Vereinbarung sei zu entnehmen, daß die zunächst ausgesprochene fristgemäße Kündigung nicht lediglich in dieser Vereinbarung aufgegangen, sondern vielmehr durch die Vereinbarung ersetzt worden sei, das Arbeitsverhältnis vorzeitig und gegen Zahlung einer Abfindung zu beenden. Da das LSG bei der Feststellung des Inhalts der abgegebenen rechtsgeschäftlichen Erklärungen keine Auslegungsgrundsätze verletzt hat, sondern dem „wirklichen Willen” iS des § 133 BGB nachgegangen ist, ist diese den Entscheidungsgründen des LSG zugrundeliegende Auslegung für den Senat bindend (§ 163 SGG).

Wenn aber das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag und nicht durch ordentliche Kündigung beendet wurde, greift die Ausnahme von der Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG nicht. Das BSG hat bereits mehrfach entschieden, daß diese Regelung über ihren Wortlaut hinaus nicht auf Fälle einer einvernehmlichen (sozial gerechtfertigten) Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag oder ähnliches erstreckt werden kann (vgl Urteile vom 19. März 1998 – B 7 AL 20/97 R –; vom 25. Juni 1998 – B 7 AL 80/97 R und B 7 AL 82/97 R –; Urteil vom 7. Mai 1998 – B 11 AL 81/97 R –, BSGE 81, 259, 264 f = SozR 3-4100 § 128 Nr 5; Urteil vom 11. Mai 1999 – B 11 AL 73/99 R –, SozR 3-4100 § 128 Nr 6, S 55; Urteil vom 4. September 2001 – B 7 AL 64/00 R –). Ein Aufhebungsvertrag läßt sich mithin nicht als sozial gerechtfertigte Arbeitgeberkündigung iS des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG werten, selbst wenn materiell- rechtlich die Voraussetzungen für eine sozial gerechtfertigte ordentliche Kündigung vorgelegen haben. Ein solches Abstellen auf die äußere Form der Aufhebung entspricht der Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts, nach der gerade in der Wahl bestimmter „Formen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen älterer, langjährig beschäftigter Arbeitnehmer” ein Indiz dafür zu sehen ist, daß die Arbeitslosigkeit in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fällt (BVerfGE 81, 156, 197 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Demgegenüber würde eine materielle, in erster Linie auf die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugrundeliegende Interessenlage abstellende Sichtweise (so etwa Brand in Niesel, AFG, 2. Aufl 1997, § 128 RdNr 33 mwN) dazu führen, die Erstattungsregelung des § 128 AFG praktisch zu entwerten. Denn der bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses älterer Arbeitnehmer häufig fehlende Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer würde die Feststellung darüber in der Regel erschweren oder unmöglich machen, ob der Arbeitgeber unabhängig von seinem formellen Beitrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch materiell die Beendigung initiiert oder gefördert hat. Sollen die mit § 128 AFG verfolgten Zwecke erreicht und Mißbrauch abgewendet werden, so ist bei der Auslegung der Befreiungstatbestände an die vom Gesetzgeber vorgegebene äußere Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzuknüpfen (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 6, S 55), zumal der Abschluß eines Aufhebungsvertrages regelmäßig dazu führt – und dies häufig auch bezweckt –, die Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einer Kontrolle durch die Arbeitsgerichte zu entziehen.

3. Der Höhe nach ist die Erstattungsforderung nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und damit für das BSG bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht zu beanstanden. Insbesondere sind Gründe dafür, daß der Erstattungsanspruch zu mindern wäre, weil die Beklagte Ruhenstatbestände nach den §§ 117, 119 AFG nicht beachtet hätte, nicht ersichtlich. Dem LSG ist darin beizupflichten, daß für H. lediglich eine sechswöchige Sperrzeit eingetreten war, weil die Voraussetzungen des § 119 Abs 2 Satz 1 AFG vorlagen, denn eine Regelsperrzeit bedeutete nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen für H. eine besondere Härte. H. konnte sich auf die Rechtsprechung des 7. Senats des BSG berufen, wonach die Sperrzeit sechs Wochen umfaßt, wenn das Arbeitsverhältnis ohne das Verhalten des Arbeitslosen innerhalb von zwölf Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, geendet hätte (BSGE 77, 61, 63 = SozR 3-4100 § 119a Nr 3).

4. Da die Entscheidung des LSG nur zum Teil auf einer Gesetzesverletzung beruht, kann die Revision der Klägerin nur teilweise Erfolg haben. Für die Zeit vom 1. Oktober 1995 bis 30. November 1995 wird das LSG die tatsächlichen Voraussetzungen der Erstattung ergänzend zu prüfen haben. Bei der Kostenentscheidung wird es auch über die Kosten des Revisionsverfahrens befinden.

 

Fundstellen

SozSi 2002, 322

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