Rz. 2
Mit dem BTHG sind mit der Überführung der Eingliederungshilfe aus dem SGB XII in den Teil 2 des SGB IX die Regelungen zum Einsatz von Einkommen und Vermögen neu konzipiert worden. Es ist ein grundlegender Systemwechsel mit einer ausgewogenen Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit gerade von erwerbstätigen Menschen mit Behinderungen erfolgt. Die Neuregelung führt dazu, dass insbesondere diejenigen Menschen mit Behinderungen stärker entlastet werden, die bisher trotz niedriger Einkommen einen Eigenanteil an den Leistungen tragen mussten (vgl. Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 308).
Mit dem Inkrafttreten des Teils 2 SGB IX wird nicht mehr ein Einsatz des Einkommens verlangt, das über einer individuell festzusetzenden Einkommensgrenze liegt, sondern es wird ab einem bestimmten Einkommen, das oberhalb der bisherigen Einkommensgrenze nach dem SGB XII liegt, ein Eigenbeitrag gefordert.
Rz. 2a
Die Bestimmungen der §§ 135 ff. sind bei Bezug von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem 2. Teil SGB IX anwendbar. Bezieht der Leistungsberechtigte neben den Leistungen der Eingliederungshilfe auch Leistungen zur Hilfe zur Pflege im ambulanten Bereich nach dem SGB XII, kommt es zu einer Überschneidung der unterschiedlichen Anrechnungsverfahren nach SGB IX und SGB XII. In diesem Fall kann das "Lebenslagenmodell" nach § 103 Abs. 2 Anwendung finden. Erhält der Leistungsberechtigte bereits vor der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung Leistungen der Eingliederungshilfe, finden auch für Leistungen der häuslichen Pflege nach den §§ 64a bis 64f, 64i bis 64k und 66 SGB XII, die vom Träger der Eingliederungshilfe zu leisten sind, die §§ 135 ff. SGB IX Anwendung. Der Leistungsberechtigte profitiert von den höheren Freibeträgen in der Eingliederungshilfe, solange die Teilhabeziele erreicht werden können. Erhält der Leistungsberechtigte allerdings erstmals Leistungen der Eingliederungshilfe nach Erreichen der Regelaltersgrenze, bleibt für Leistungen der häuslichen Pflege der Sozialhilfeträger zuständig; es gelten die Freibetragsgrenzen des SGB XII.
Rz. 3
§ 135 definiert den Begriff des Einkommens, der für die Ermittlung des zu leistenden Beitrags maßgeblich ist. Dabei wird – anders als im SGB XII – nicht mehr auf das zum Zeitpunkt des Bedarfs tatsächlich zufließende Einkommen abgestellt, sondern grundsätzlich auf die Höhe der Einkünfte des Vorvorjahres nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts. Besteht zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung allerdings eine erhebliche Abweichung zu den Einkünften des Vorvorjahres, sind die voraussichtlichen Jahreseinkünfte des laufenden Jahres zu ermitteln und zugrunde zu legen (Abs. 2).
Die Festsetzung dieser Beträge ist unter Beachtung der bisherigen durchschnittlichen Einkommenssituation der Leistungsbezieher von Eingliederungshilfe, ihres bisherigen Einkommenseinsatzes und einer ausgewogenen Erhöhung der Einkommensgrenzen unter Berücksichtigung der Höhe der öffentlichen Mittel, die für eine Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderungen zur Verfügung stehen, erfolgt. Die Situation der steuerlichen und abgaberechtlichen Position des Leistungsbeziehers wurde ebenso berücksichtigt.
Die für die Einkommenssituation maßgeblichen Bruttoeinkünfte knüpft an den Begriff der "Summe der Einkünfte" nach § 2 Abs. 2 EStG an. Die Folge ist, dass auch ein mit der Einkommenserzielung verbundener höherer Aufwand (z. B. Werbungskosten oder Betriebsausgaben) berücksichtigt wird. Zudem werden so die steuerlichen Vorteile (Nachteilsausgleiche) nicht wie bisher von der Einkommensregelung der Eingliederungshilfe im SGB XII aufgezehrt. Mit der Regelung, dass der Eigenbeitrag sich nach dem Einkommen i. S. des Einkommensteuergesetzes richtet, wird die Inanspruchnahme von Einkommen pauschaliert. Der geforderte Eigenbeitrag ist linear so gestaffelt, dass in durchschnittlichen Fällen im Vergleich zum alten Recht eine deutliche Besserstellung erfolgt.
Rz. 3a
Bei Renteneinkünften wird die Bruttorente für die Beurteilung der Einkommenssituation zugrunde gelegt. Renteneinkünfte sind nicht auf Renten der gesetzlichen Rentenversicherung beschränkt; vielmehr sind grundsätzlich alle wiederkehrenden Leistungen, die regelmäßig auf einem Stammrecht beruhen, umfasst (vgl. Giere, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII/SGB IX, 8. Aufl. 2024, § 135 SGB IX Rz. 9). Aus Gleichbehandlungsgründen im Vergleich zu Einkünften aus der gesetzlichen Rentenversicherung sollten auch beamtenrechtliche Pensionen, die zwar steuerrechtlich als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einzustufen sind, den Renteneinkünften i. S. d. Abs. 2 Nr. 3 zugeordnet werden (vgl. Giere, a. a. O.).
Rz. 4
Durch die Ableitung der für die Bemessung des Eigenbeitrags ausschlaggebenden Beträge von der Sozialversicherungsbezugsgröße unterliegen diese automatisch einer Dynamisierung gemäß der jährlich neu festzusetzenden Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV (vgl. § 136).