Wohnquartiere unter sozialem Druck: Auswege und Lösungen

Immer mehr Wohnquartiere in Deutschland stehen unter massivem sozialen Druck. In bestimmten Stadtteilen bündeln sich gesellschaftliche Herausforderungen wie Armut, Migration, Wohnungsmangel, Überalterung und Einsamkeit – mit zunehmend dramatischen Folgen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Das sind Ergebnisse der Studie "Überforderte Quartiere. Engagement – Auswege – Lösungen", die das Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung (Inwis) für den Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW erstellt hat.
Überforderte Quartiere: Wohnungswirtschaft alleingelassen?
227 Stadtteile in Deutschland werden der Studie zufolge aktuell im Programm "Sozialer Zusammenhalt" gefördert – mindestens 345 weitere zeigen demnach ebenso kritische soziale Indikatoren, erhalten aber keine Förderung. Gerade in den sogenannten Großwohnsiedlungen leben überdurchschnittlich viele Empfänger staatlicher Transferleistungen: Das führe zu einer Schrumpfung des Einzelhandelsangebots, zur Bildungssegregation und einem "Milieu der Ärmlichkeit".
Auch die Altersstruktur vieler Stadtquartiere hat sich in den vergangenen Jahren verändert: Der Anteil der über 65-Jährigen liegt in manchen Vierteln bereits bei mehr als 30 Prozent, Tendenz steigend.
"Unsere Analyse zeigt, dass wir es nicht mehr nur mit überforderten Nachbarschaften, sondern mit ganzen überforderten Quartieren zu tun haben", erklärt Studienautor Prof. Dr. Torsten Bölting, Geschäftsführer des Inwis. Diese Quartiere seien geprägt von einer Kumulation sozialer Probleme. "Die Wohnungswirtschaft allein kann diese Probleme nicht lösen, obwohl sie vielerorts zentrale Integrationsarbeit leistet. Politik und Gesellschaft müssen jetzt strukturelle Antworten liefern – nicht irgendwann, sondern sofort."
GdW: Förderung "Whatever it takes"
Wie aus der Studie hervorgeht, sind auch viele Kommunen strukturell überfordert. Es fehlen nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch personelle Ressourcen und Kompetenzen, um die komplexen Herausforderungen in den Quartieren aktiv zu managen. Klassische Förderprogramme reichen nicht aus, um der Lage Herr zu werden; es sind integrierte, langfristige Lösungen nötig.
"Unsere Wohnungsunternehmen sind mit rund sechs Millionen Wohnungen so etwas wie seismographische Frühwarnsysteme. Was sie heute melden, ist beunruhigend: Die Spannungen in den Quartieren nehmen zu, die Bereitschaft zur Integration nimmt ab", kommentiert GdW-Präsident Axel Gedaschko die Ergebnisse und fordert ein Umdenken.
"Wir brauchen pragmatische Lösungen – nach dem Motto: 'Whatever it takes'", so Gedaschko. Außerdem eine zentrale Kompetenzstelle "Zusammenleben im Quartier" auf Bundesebene, mehr finanzielle und personelle Ressourcen für die Quartiersarbeit vor Ort und vereinfachte und flexiblere Förderrichtlinien.
Wohnungsunternehmen spielen zentrale Rolle
Die Studie unterstreicht laut GdW, dass Wohnungsunternehmen durch die Nähe zu den Mietern eine zentrale Rolle spielen könnten, würden sie nur besser in die politische Steuerung und Förderung eingebunden – und würden die Quartiersarbeit, das Engagement für altersgerechtes Wohnen und die Rolle als "Kümmerer vor Ort" systematisch unterstützt und gefördert.
Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse sei seit der Grundgesetzreform 1994 in Artikel 72 festgeschrieben. Bund, Länder und Kommunen hätte also einen klaren Auftrag, auch wenn es um die Entwicklung der urbanen Wohnquartiere gehe.
In der Studie werden Handlungsempfehlungen formuliert:
- Das isolierte Nebeneinander staatlicher Zuständigkeiten muss abgebaut werden. Dazu sollten alle relevanten Akteure an einen Tisch gebracht werden – von Kommunen und Wohnungswirtschaft bis hin zu Pflegekassen, Wohlfahrtsverbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen.
- Es braucht neue Finanzierungsmodelle für die Daseinsvorsorge, eine systematische Evaluierung bestehender Sozialleistungen sowie regulär verfügbare, kooperative Fördermodelle vor Ort. Ziel ist es, aus überforderten Quartieren wieder stabile Nachbarschaften zu entwickeln, in denen funktionierende Infrastrukturen, Vertrauen und soziale Teilhabe den Zusammenhalt stärken.
Studie "Überforderte Quartiere. Engagement – Auswege – Lösungen"
Panel: Weiterentwicklung großer Wohnsiedlungen Auf der Real Estate Arena in Hannover diskutiert ein Panel in der Haufe Lounge unter anderem über die Herausforderungen in Wohnquartieren. Moderator ist Olaf Berger, Chef vom Dienst "DW Die Wohnungswirtschaft". Wo: Haufe Lounge Halle 4 / Stand D52 Wann: Donnerstag, 15. Mai, 11 Uhr bis 12 Uhr Gäste: Jörn Ehmke, Abteilungsleiter Stadt- und Quartiersentwicklung Gewoba AG; Ralf Protz, Leiter Kompetenzzentrum Großsiedlungen; Lisa Winter, Vorstand Baugenossenschaft dhu eG; Ingrid Weinreich, Prokuristin, Leitung Technisches Management Hanova Wohnen; Elmar Böschel, Abteilungsleiter Technisches Management Neuland Wohnungsgesellschaft mbH |
Die Studie "Überforderte Quartiere. Engagement – Auswege – Lösungen", die am 6. Mai im Rahmen einer Veranstaltung zum 25-jährigen Jubiläum der Verleihung "Preis Soziale Stadt" vorgestellt wurde, ist auch Thema in der Ausgabe 06/2025 der "DW Die Wohnungswirtschaft", die ab dem 30. Mai im Shop erhältlich sein wird.
Preis Soziale Stadt: Die Sieger 2025
Im Wettbewerb "Preis Soziale Stadt" werden seit dem Jahr 2000 Projekte und Initiativen von kommunalen Institutionen, Verbänden, Wohnungsunternehmen und anderen Organisationen ausgezeichnet, die sich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ein soziales Miteinander in Quartieren und Nachbarschaften einsetzen.
Auslober sind der vhw Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung, der AWO Bundesverband, der GdW Bundesverband deutscher
Wohnungs- und Immobilienunternehmen, der Deutsche Mieterbund (DMB) und der Deutsche Städtetag.
Zusammen Wachsen / Bürgerpark Kopernikus in Rudolstadt
RUWO Rudolstädter Wohnungsverwaltungs- und Baugesellschaft
Quartier am Markt in Hofgeismar
Hofgeismar, Selbstbestimmt Leben Gemeinsam Wohnen
Safe-Hub Berlin
Amandla gemeinnützige GmbH
Kooperation Wohnungswirtschaft Wersten Südost
Rheinwohnungsbau / Sahle Wohnen / Städtische Wohnungsgesellschaft Düsseldorf
Die Quartiersarbeit in Sindelfingen
Stadtjugendring Sindelfingen / Wohnstätten Sindelfingen / Stadt Sindelfingen
Alle Informationen zu den Preisträgern 2025
Ein ausführlicher Bericht zum "Preis Soziale Stadt 2025" wird am 30. Juni in der Ausgabe 07/2025 des Haufe-Magazins "DW Die Wohnungswirtschaft" erscheinen. Sichern Sie sich jetzt schon den Zugang über den Shop.
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