Wie Unternehmen Kreativität fördern können

Kreativität zählt zu den sogenannten "Future Skills". Der Beitrag beschäftigt sich mit drei Einflussfaktoren, die für die betriebliche Personalarbeit besonders relevant erscheinen: Trainingsmaßnahmen, Führung und Unternehmenskultur.

Kreativität bezeichnet die Fähigkeit einer einzelnen Person oder einer Gruppe, etwas Neues und Nützliches zu denken oder herzustellen (Runco/Jaeger, 2012, S. 92). Kreativität gilt in einer durch Digitalisierung geprägten Arbeitswelt als eine wesentliche Fähigkeit von Beschäftigten, von der ein großer Einfluss auf den Unternehmenserfolg vermutet wird. Kreativität von Beschäftigten und Teams gilt zudem als die wesentliche Voraussetzung für Innovationen in Unternehmen. Kreativität zählt somit zu den sogenannten "Future Skills", also Fähigkeiten, die für das Berufsleben branchenübergreifend wichtiger werden (Kirchherr et al., 2018, S. 6). 

Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung und da man davon ausgeht, dass die Grundlage für Kreativität bereits in jungen Jahren gelegt wird, wurde in der letzten PISA-Studie erstmals Kreativität für 15-Jährige erfasst. Schülerinnen und Schüler bekamen konkrete Aufgaben, bei denen sie Ideen entwickeln oder vorgegebene Ideen weiterentwickeln sollten. Die Ergebnisse wurden anschließend in quantitative und damit international vergleichbare Ergebnisse überführt (Diedrich et al., 2024, S. 6 - 9), wobei Deutschland mit 32,5 von 60 möglichen Punkten ziemlich genau im Durchschnitt der OECD-Staaten liegt (Diedrich et al., 2024, S. 10).

Die Messung von Kreativität in der empirischen Forschung 

Zum Thema Kreativität liegen sehr viele Studien vor und das Themengebiet ist breit gefächert. Wir konzentrieren uns an dieser Stelle auf drei Einflussfaktoren, die uns für die betriebliche Personalarbeit besonders relevant erscheinen: Trainingsmaßnahmen, Führung und Unternehmenskultur. Unsere Ergebnisgröße ist Kreativität, da der weitere Zusammenhang zwischen Kreativität und Innovation empirisch abgesichert ist (r=0,46, Sarooghi/Libaers/Burkemper, 2015, S. 723) und es für Kreativität direktere Messungen gibt. Das PISA-Beispiel oben zeigt aber schon, dass die Messung der Ergebnisgröße "Kreativität" nicht ganz einfach ist und das dort angewendete Vorgehen für die empirische Forschung im Unternehmenskontext nur bedingt geeignet und umsetzbar ist. Deshalb gehen wir zunächst darauf ein, wie empirische Studien zur Kreativität grundsätzlich aufgebaut sind. 

Auf J. P. Guilford (1956) geht die Unterscheidung in konvergentes und divergentes Denken zurück. Konvergentes Denken ist dabei eher logisch auf das Auffinden einer einzigen, klaren Lösung für ein Problem ausgerichtet. Divergentes oder laterales Denken sucht auch nach Problemlösungen, nähert sich aber der Lösung durch das Abwägen unterschiedlicher Möglichkeiten und beginnt zunächst mit einem breiteren Optionenraum. Kreativität zielt insbesondere auf die Förderung des divergenten Denkens ab.

Als Ergebnis kreativer Prozesse haben wir unmittelbar Beispiele von Entwürfen aus der Architektur oder der Mode vor Augen. Im Unternehmenskontext denken wir an kreative Produktideen oder Prozessinnovationen, die Arbeitsabläufe in Unternehmen verbessern. Diese Produkte stehen allerdings erst am Ende eines langfristigen Entwicklungsprozesses, sind im Rahmen empirischer Forschung nur schwer zu fassen und lassen sich kausal nicht auf bestimmte unternehmerische Interventionen zurückführen. Deshalb werden im Rahmen quantitativer empirischer Untersuchungen zum einen Fragebögen zur Selbst- oder Fremdeinschätzung und zum anderen standardisierte Testverfahren eingesetzt. Bei hinreichender Datenlage kann in Metaanalysen zwischen den Messkonzepten differenziert werden. Dabei zeigt sich zum Beispiel, dass die Effektstärken bei Selbsteinschätzung der Kreativität deutlich größer sind als bei Fremdeinschätzungen (Hunter et. al., 2007, S. 77).

Ist Kreativität trainierbar?

Ein personalwirtschaftlich naheliegender Ansatz zur Steigerung der Kreativität von Beschäftigten ist das Angebot spezifischer Trainingsmaßnahmen. In einer aktuellen Meta­studie aggregieren Ut Na Sio und Hugues Lortie-Forgues (2024) die Studienlage der letzten 50 Jahre zum Zusammenhang zwischen Kreativitätstraining und Kreativität. Als Trainings­erfolg wird das Ausmaß divergenten Denkens, kreativer Pro­blemlösung oder kreativer Produkte gemessen. Als Effektstärke verwenden die Autoren Hedge’s g, welches an Cohen’s d ansetzt und entsprechend ähnlich interpretiert werden kann. Übergreifend ermitteln die Autoren einen positiven, aber geringen Einfluss (g=0,28) der Trainingsmaßnahmen, wenn ausschließlich qualitativ hochwertige Studien berücksichtigt werden (bei Berücksichtigung aller Studien g=0,53, Sio/Lortie-Forgues, 2024, Table 10). Dies steht im Widerspruch zu zuvor veröffentlichten Metastudien, die einen mittleren Effekt fanden. Begründet werden kann dieser Unterschied mit der größeren methodischen Strenge der aktuell vorliegenden neueren Analyse. Trainingsmaßnahmen sind effektiver, wenn kognitive Komponenten angesprochen werden, im Vergleich zu Maßnahmen, die auf nicht-kognitive Komponenten wie Motivation oder Emotion fokussiert werden. Darüber hinaus können keine wesentlichen weiteren Differenzierungsfaktoren identifiziert werden. Beispielsweise besteht kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Alter der Probanden und dem Trainingseffekt.

Wenn Trainingsmethoden einen nachweisbaren Effekt auf die Kreativität haben, stellt sich die Frage, welche Trainingsmaßnahmen und -konzepte besonders effektiv sind und welche Maßnahmen nur einen geringen Effekt aufweisen. Diesen Fragen geht die Metanalyse von Jennifer Haase, Paul H. P. Hanel und Norbert Gronau (2023) nach, deren Untersuchung sich im Vergleich zu Sio/Lortie-Forgues (2024) auf Erwachsene beschränkt. Im Durchschnitt finden die Autoren einen positiven Effekt in Höhe von g=0,53. Interessanter als der Durchschnittswert ist in dieser Untersuchung die Differenzierung nach unterschiedlichen Maßnahmen. Die Ergebnisse sind zusammenfassend in Abbildung 1 dargestellt. 

Abb. 1: Kreativitätsfördernde Maßnahmen

Zunächst unterscheiden die Autoren zwischen Trainingsmaßnahmen und "Manipulation". Training zeichnet sich in dieser Definition durch einen systematischen Prozess oder ein Programm aus, um langfristig Kreativität zu fördern. Manipulationen hingegen haben einen geringeren Strukturierungsgrad und weisen in der Regel einen geringeren Aufwand für die Teilnehmenden auf. Außerdem ist den Teilnehmenden zum Teil auch gar nicht bewusst, dass es sich um eine kreativitätsfördernde Maßnahme handelt. Auslandsreisen, Auslandsentsendungen oder die Zusammenarbeit in multinationalen Teams ("cultural exposure") fallen beispielsweise unter Manipulationen, da die kreativitätsfördernde Wirkung den Teilnehmenden nicht bewusst ist oder zumindest nur als Nebeneffekt relevant erscheint. Die Teilnehmenden müssen nicht zwingend wissen, dass eine Manipulation auf die Erhöhung der Kreativität abzielt. Trainingsmaßnahmen weisen im Durchschnitt eine größere Wirkung auf (g=0,61), wobei auch Manipulationen mit g=0,45 nicht deutlich schlechter wirken. Interessanter ist in diesem Zusammenhang die unterschiedliche Effektivität von Manipulationen. Eine besonders hohe Wirkung geht von Erfahrungen mit anderen Nationalitäten und Kulturen aus (cultural exposure g=0,66). Ähnlich wirkungsvoll ist die Meditation (g=0,66). Drogen haben hingegen keinen signifikanten positiven Effekt. 

Eine Unterstützung durch Trainer erhöht den Effekt (g=0,62) etwas im Vergleich zu Maßnahmen, die ohne Trainer durchgeführt werden (g=0,47). Die Ergebnisse weisen allerdings weder Unterschiede zwischen Männern und Frauen auf, noch ist das Alter relevant. Bezogen auf kulturelle Einflussfaktoren zeigen Studien aus Asien einen größeren Effekt (g=0,68) im Vergleich zu Europa (g=0,51) oder Nordamerika (g=0,52).

Zudem unterschieden die Autoren, auf welche konkrete Verhaltens- oder Einstellungsveränderung eine Maßnahme abzielt. Maßnahmen können auf Denkprozesse fokussieren (kognitiv), die Zusammenarbeit im Team fördern (sozial), die Selbsteinschätzung bezüglich Kreativität beeinflussen (Persönlichkeit) oder die Motivation erhöhen (motivational). Die Effekte sind für alle Dimensionen ungefähr gleich groß und liegen in einer Spanne von g=0,53 (kognitiv) bis g=0,66 (motivational).

Wodurch sich kreative Beschäftigte auszeichnen

Die oben dargestellten Ergebnisse zeigen im Durchschnitt keine wesentlichen geschlechtsspezifischen Unterschiede bezüglich der Wirkung von kreativitätsfördernden Maßnahmen. Das beantwortet allerdings nicht die Frage, ob es geschlechtsspezifische Unterschiede im Ausmaß oder der Variabilität der Kreativität gibt. Schaut man nur auf die extremen Endprodukte kreativer Prozesse (z. B. Nobelpreise als Ausdruck von Krea­tivität in der Wissenschaft), sind diese überdurchschnittlich häufig mit Männern verbunden, was aber auch durch Diskriminierung erklärbar ist. Ein Forscherteam um Christa L. Taylor (2024) fokussiert in seiner Metaanalyse auf geschlechtsspezifische Unterschiede. Übergreifend finden die Autorinnen und Autoren, dass die Fähigkeit zum kreativen Denken und Handeln bei Frauen sehr schwach stärker ausgeprägt ist als bei Männern (g=0,1). Auch die These, dass Männer zwar im Durchschnitt nicht kreativer sind, aber eine höhere Streuung aufweisen und somit extrem hohe Fähigkeiten (wie auch ex­trem geringe) bei Männern häufiger auftreten als bei Frauen, lässt sich auf Basis der Befunde nicht bestätigen.

Jenseits von Geschlechtsunterschieden lassen sich Persönlichkeitsfaktoren identifizieren, die mit höherer Kreativität einhergehen. Von den "Big-Five"-Persönlichkeitseigenschaften sind Offenheit (r=0,22) und Extraversion (r=0,12) positiv mit Kreativität korreliert wie auch allgemeine Intelligenz (r=0,17) (Da Costa et al., 2015, S. 169).

Der Einfluss von Führung auf die Kreativität der Beschäftigten

Inwieweit unterschiedliche Führungsstile Kreativität fördern, untersuchen Allen Lee et al. (2020). Sie betrachten neben transformationaler und transaktionaler Führung aus dem Modell des "full range of leadership" noch weitere aktuelle Führungsstile wie authentische Führung oder dienende Führung. Zudem analysieren sie nicht nur die Kreativität der Beschäftigten, sondern nutzen auch das Ausmaß an innovativem Verhalten als Ergebnisgröße. Kreativität definieren die Autoren dabei als einen kognitiven oder verhaltensorientierten Prozess, während Innovation die Implementierung neuer Ideen im betrieblichen Kontext meint. Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 zusammengefasst, dargestellt sind die korrigierte Korrelation zwischen Führungsstil und Kreativität beziehungsweise Innovation.  

Tab. 1: Korrelation zwischen Führungsstil und Kreativität

Insgesamt zeigen sich mittelstarke Zusammenhänge zwischen positiven Führungsstilen und den untersuchten Ergebnis­größen, wobei authentische Führung einen besonders großen Effekt, transaktionale Führung einen besonders geringen Effekt aufweist. Die Ergebnisse für transaktionale Führung relativieren sich bei näherer Betrachtung, da dieser Führungsstil in der Ausprägung "bedingte Belohnung" einen deutlich höheren Effekt (r um 0,3) und in der Ausprägung "Management by Exception" einen insignifikanten Effekt (r=-0,01) aufweist. 

Zur Gestaltung einer kreativitätsfördernden Unternehmenskultur

Mit der Frage, welche Faktoren in Organisationen eine Kultur der Kreativität fördern, beschäftigt sich eine ältere Meta­analyse von Samuel T. Hunter et al. (2007). Die Autoren untersuchen insgesamt 14 unterschiedliche Einflussfaktoren auf Organisationsebene, die alle positiv mit einer kreativitäts­orientierten Unternehmenskultur ("creative climate") verbunden sind. Als bedeutsam erweisen sich folgende Faktoren: positiver Austausch zwischen den Beschäftigten, Herausforderungen sowie Flexibilität und Risikoorientierung. 

Wir verzichten hier auf die Angabe quantitativer Effektstärken, da der Metaanalyse viele Einzelstudien zugrunde liegen, bei denen sowohl die Werte für das Organisationsklima als auch die Einschätzung der Kreativität von denselben Personen innerhalb einer Organisation vorgenommen wurden. Das daraus resultierende Problem der "common method variance" kann zu einer deutlichen Überschätzung der Effektstärken führen.

Kreativität im Unternehmen

  • Die Kreativität der Beschäftigten kann grundsätzlich durch Initiativen der Unternehmen positiv beeinflusst werden.
  • Kreativitätstraining wirkt positiv auf das kreative Denken. Ältere (Meta-)Studien weisen größere Effektstärken aus, was allerdings in methodischen Schwächen dieser Studien begründet liegt.
  • Positive Führungsstile, insbesondere dienende und authentische Führung, wirken positiv auf die Kreativität der Beschäftigten. 


Dieser Beitrag aus der Rubrik "State of the Art" ist erschienen im Wissenschaftsjournal PERSONALquarterly, Ausgabe 3/2025 mit dem Schwerpunktthema "Mentale Gesundheit am Arbeitsplatz - Was Unternehmen gegen Burnout tun können".


Literaturverzeichnis:
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Diedrich, J./Patzl, S./Todtenhöfer, P./Lewalter, D. (2024): Kreatives Denken in Deutschland und im internationalen Vergleich: Kurzbericht der Ergebnisse der innovativen Domäne aus PISA 2022. Waxmann.
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Haase, J./Hanel, P. H./Gronau, N. (2023): Creativity enhancement methods for adults: A meta-analysis. Psychology of aesthetics, creativity, and the arts. Online first.
Hunter, S. T./Bedell, K. E./Mumford, M. D. (2007): Climate for creativity: A quantitative review. Creativity research journal, 19(1), 69–90.
Kirchherr, J. W./Klier, J./Lehmann-Brauns, C./Winde, M. (2018): Future Skills: Welche Kompetenzen in Deutschland fehlen. Future Skills-Diskussionspapier, 1.
Lee, A./Legood, A./Hughes, D./Tian, A. W./Newman, A./Knight, C. (2020): Leadership, creativity and innovation: A meta-analytic review. European Journal of Work and Organizational Psychology, 29(1), 1–35.
Runco, M. A./Jaeger, G. J. (2012): The standard definition of creativity. Creativity Research Journal 24.1 (2012): 92-96.
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