Beweisverwertung der Daten von Auslandsbehörden

Von ausländischen Behörden den deutschen Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellte Daten sind im Strafprozess weitgehend verwertbar. Auf die Zulässigkeit der Datengewinnung nach deutschem Recht kommt es nicht an.

In einer Grundsatzentscheidung hat der BGH sich mit der Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Chat-Daten im deutschen Strafprozess befasst und hierbei die Grenzen sehr weit gesteckt. Nur wenn die im Ausland angewandten Mittel der Datenerhebung dem deutschen „ordre public“ widersprechen, ist die Beweisverwertung unzulässig.

Angeklagter rügt unzulässige Beweisverwertung

Gegenstand der Entscheidung des BGH war die Revision eines vom Landgericht wegen 35 Verbrechen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu 7 Jahren und 6 Monaten Haft verurteilten Täters. In 9 Fällen stützte sich die Verurteilung auf digitale Nachrichten des Angeklagten, die dieser über sein Mobiltelefon versandt hatte. Die Versendung dieser Nachrichten war über die in seinem Mobiltelefon versteckte App „Anom“ erfolgt. Mit seiner Revision rügte der Angeklagte, dass diese über das Justizministerium der USA der deutschen Strafverfolgungsbehörde zur Verfügung gestellte Daten nicht als Beweismittel hätten verwertet werden dürfen.

Täter mit speziellen Mobiltelefonen getäuscht

Der Angeklagte selbst legte im Revisionsverfahren umfangreiche Unterlagen der US-Behörden vor. Diese hatten gegen ein Unternehmen ermittelt, das Krypto-Mobiltelefone ausschließlich an Mitglieder krimineller Vereinigungen zum Zwecke der verschlüsselten Kommunikation veräußerte. Im Rahmen der Strafverfolgung hatte das US-amerikanische FBI spezielle Krypto-Mobiltelefone entwickeln lassen und veräußerte diese seinerseits unter der Bezeichnung „Anom“ an kriminelle Organisationen. Die Geräte verfügten über eine „Ende-zu-Ende-Verschlüsselung“ deren Codes das FBI kannte. Auf diese Weise war das FBI in der Lage, die Nachrichten, von denen jeweils automatisch eine Kopie an einen in einem EU-Staat befindlichen Server übermittelt wurde, ohne Kenntnis der Betroffenen zu entschlüsseln.

BKA erhielt Zugang zu den verschlüsselten Inhalten

Das BKA erhielt über eine internetbasierte Auswertungsplattform Zugang zu den dekryptierten Inhalten, soweit diese einen Deutschlandbezug hatten. Im März 2021 leitete die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt gegen die Nutzer der Anom-Kryptohandys Ermittlungsverfahren ein und erhielt wenig später vom US-Justizministerium eine ausdrückliche Zustimmung zur Verwertung der Daten.

BGH betont Grundsatz der freien Beweiswürdigung

Der BGH hatte keine Zweifel, dass das erstinstanzlich zuständige LG die Verurteilung des Angeklagten zu Recht auch auf die Verwertung dieser Daten gestützt hatte. Maßgeblich für die Beurteilung der Verwertbarkeit dieser Daten als Beweismittel im Strafprozess sei § 261 StPO. Danach gelte für das zuständige Gericht der Grundsatz freier richterlicher Beweiswürdigung. Das Gericht entscheide nach seiner aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme geschöpften Überzeugung über die Anklage.

BGH sieht keine Beweisverwertungsverbote

Nach Auffassung des BGH bestand ein Beweisverwertungsverbot unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Die Frage der Zulässigkeit der Beweisverwertung beurteile sich ausschließlich nach deutschem Recht. Die im Ausland erfolgten Ermittlungsmaßnahmen seien an diesem Maßstab zu messen. Hierbei komme es nicht darauf an, ob die deutschen Ermittlungsbehörden in gleicher Weise hätten vorgehen dürfen. Insoweit sei im Rahmen der erfolgten Rechtshilfe lediglich zu prüfen, ob grundlegende Rechtsstaatsanforderungen im Sinne des unverzichtbaren „ordre public“ gewahrt wurden.

Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis zur Verfolgung schwerer Kriminalität zulässig

Eine Verletzung grundlegender rechtsstaatlicher Mindeststandards im Rahmen der Ermittlungen durch das FBI konnte der BGH nicht feststellen. Zwar seien Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis erfolgt, diese Maßnahmen seien aber ausschließlich gegen Personen getroffen worden, bei denen konkrete Anhaltspunkte für die Beteiligung an schweren Straftaten der organisierten Kriminalität (Betäubungsmittel- und Waffenhandel) bestanden hätten.

Grundsatz des fairen Verfahrens nicht verletzt

Die Tatsache, dass nicht bekannt ist, in welchem EU-Land die gewonnenen Daten auf einen Server kopiert wurden, verletzt nach Einschätzung des BGH nicht den Grundsatz des fairen Verfahrens. Im Ergebnis seien gezielt kriminelle Kreise von der Datenspeicherung betroffen gewesen, die sich zum Zwecke ihrer geheimen Kommunikation einer App bedient hätten, die von Kriminellen für Kriminelle entwickelt worden sei (der BGH wörtlich:„designed by criminals for criminals“).

Zulässige Beweisverwertung hat Auswirkungen auf eine Vielzahl von Verfahren

Die Entscheidung des BGH ist für die Verwertung von im Ausland gewonnenen Daten in deutschen Strafverfahren von weitreichender Bedeutung. Allein im Rahmen der Ermittlungen zu den „Anom-Kryptohandys“ hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main als zentrale Stelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität bereits über 280 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das erstinstanzlich zuständige LG Tübingen muss im konkreten Fall dennoch erneut in die Verhandlung eintreten, allerdings nur über das Strafmaß und über die Frage der Vermögensabschöpfung im Hinblick auf die seit kurzem in Kraft getretenen neuen Cannabis-Strafbestimmungen.

(BGH, Urteil v. 9.1.2025, 1 StR 54/24)