Die Augen von Sebastian Laubach glänzten, als das Audit zu dem Ergebnis kam, dass eine strukturierte Wirksamkeitskontrolle für Weiterbildungen fehlte. Denn er sah die Möglichkeit, nun sein erworbenes Wissen aus dem Wirtschaftspsychologie-Studium zum Nutzen des Unternehmens einzubringen. Der heutige HR Specialist Personnel & Organizational Development erinnert sich noch gut an die Zeit in dem früheren Unternehmen, wo er als junger Personalentwickler voller Elan ans Werk ging. Ich lernte ihn bei einem Netzwerktreffen der Gesellschaft für Wirtschaftspsychologie kennen und er zeigte mir sein Schaffenswerk.
Wirksamkeitskontrolle beim Lerntransfer
Ich war tief beeindruckt, was er sich überlegt hatte. Messtechnisch sehr gut durchdacht. Er hatte verschiedene Leitfäden entwickelt, die vor und nach einer Weiterbildung zum Einsatz kommen sollten, um die mit einer Schulung verbundenen Ziele, Lerntransferförderung und Wirkungen zu erfassen. Insgesamt waren dies fünf Dokumente mit einem Umfang von neun Seiten, die Checkpunkte zum Ankreuzen beinhalteten. Die Führungskräfte sollten diese Instrumente für Mitarbeitergespräche nutzen. "Transfersicherung zur Wirksamkeitskontrolle im Rahmen des Bildungscontrollings" hieß seine Präsentation, mit der er sein Konzept im Unternehmen vorstellte, damit Ressourcen zur Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitenden möglichst effizient eingesetzt werden. Aber nicht nur ich war sehr angetan, sondern auch seine Regionalgruppe des Bundesverbands Personalmanager, die sein Konzept als "best practice" auszeichneten, wie er mir erzählte.
Weiterbildung unterliegt dem Formalismus
"Viel zu umfangreich – das kostet ja richtig viel Zeit das alles auszufüllen". "Reicht es nicht, dass man eine Teilnahmebestätigung erhält?" Diese Worte der Entscheider im Unternehmen trafen ihn mit voller Wucht, als er sein Konzept vorstellte. Sein Elan, mit dem er angetreten war, zischte weg wie die Luft aus einem Luftballon. Die Business-Realität sorgte für tiefe Ernüchterung. Zuvor hatte er noch gedacht, dass ihm seine Lösung wie warme Semmeln aus der Hand gerissen würde. Doch am Ende wurde sein Konzept "minimalmöglich einkondensiert, um gerade eben noch die Auditvorgaben zu erfüllen".
Das war das eigentlich Erschreckende für ihn. Dass der Formalismus im Vordergrund stand. Dass es nur darum ging, eine Auditanforderung zu erfüllen. Dass es gar nicht um das Thema ging, eine "sinnstiftende, geordnete und lernzielorientierte Weiterbildung" zu machen, die Mitarbeitende so qualifiziert, dass das Unternehmen als Ganzes wettbewerbsfähig bleibt. Noch heute schüttelt er den Kopf, weil er weiß, dass Weiterbildung ein "beinhartes Verkaufsargument" im "War for talents" am Arbeitsmarkt darstellt und nicht als "Incentive" verstanden werden darf.
Aufwandberechnung schlägt Wirksamkeitsberechnung
Nun könnte man denken, dass der damals frischgebackene Wirtschaftspsychologie-Absolvent zu blauäugig ans Werk gegangen war. Doch in Wirklichkeit zeigt dieser Fall ein Phänomen, das nach meinem Eindruck in den Firmen weit verbreitet ist: Transferförderung ja, Arbeit damit nein. Deshalb bin ich auch froh, dass Sebastian Laubach bereit war, dass ich hier über seine Erfahrungen berichten darf.
Sein Beispiel zeigt aber noch eine andere Realität. Sein Chief Financial Officer (CFO) rechnete ihm damals vor, dass bei x Weiterbildungsmaßnahmen im Jahr der zeitliche Aufwand von Führungskraft und Mitarbeitenden um y Minuten reduziert wird, wenn man seine erarbeiteten Fragebögen auf das Minimum einkürzt und die Lernzielvereinbarungen und den anschließenden Abgleich ganz weglässt. Man würde so viele Zehntausend Euro Opportunitätskosten einsparen. Als "WIRTSCHAFTSpsychologe" konnte er sich diesen Zahlen und dieser Denkweise natürlich nicht verschließen, gibt er zu. Auch wenn er für wirksame Personalentwicklung brenne und man natürlich genauso argumentieren könnte, dass es noch teurer ist, wenn die Mitarbeitenden nutzlos viel Arbeitszeit in Schulungen verbringen, die Geld kosten.
Was also tun, wenn es am Ende darum geht, dass Schulungen nicht Gelder verbrennen, sondern gewünschte Wirkungen bringen?
Der Schlüssel ist der Führungskräftenachwuchs
Der Gedanke liegt eigentlich nahe – die Entwicklung der Mitarbeitenden ist schlussendlich Chefsache. Und zu welchem Zeitpunkt sind Führungskräfte noch besonders empfänglich, sich mit diesem Thema zu befassen? Ganz klar: In ihrer eigenen Ausbildung als Führungskraft. Denn da erleben sie am eigenen Leib, was es bedeutet, Gelerntes umzusetzen. Und an diesem Punkt ist es auch besonders wirkungsvoll, etwas darüber zu lernen, worauf es ankommt, damit Schulungen Früchte tragen und einen Nutzen im Arbeitsalltag bringen.
So machte sich also Sebastian Laubach dafür stark, ein Modul "Die Führungskraft als Personalentwickler" aus der Taufe zu heben, das als Standard in die Nachwuchsführungskräfteentwicklung kam. Die Botschaft des Moduls war dann auch "Weiterentwicklung der eigenen Mitarbeiter ist ein erfolgskritisches Aufgabenfeld". Denn eine Führungskraft ist nur erfolgreich, wenn sie ihre Mitarbeitenden ermutig und sorgfältig dabei begleitet, sich entsprechend der Anforderungen im Wettbewerb kontinuierlich weiterzuentwickeln. "Wir hofften, damit das falsche Verständnis von Weiterbildung als lästige Notwendigkeit über die Dauer der Zeit auszuschleifen, da zusehends immer mehr junge Nachwuchsführungskräfte mit dem veränderten Mindset an die Sache herangehen", erzählt mir Laubach rückblickend.
Langfristig die Haltung verändern
Doch so eine Haltung im Unternehmen aufzubauen, braucht Zeit. Und immer wieder gibt es Grenzen aus Gründen der Wirtschaftlichkeit. Doch die Saat geht auf und es zeigen sich erste Früchte. Dies sei erkennbar, weil die jüngeren Führungskräfte merklich mehr bei ihren HR Business Partnern nach weiteren Optionen und Angeboten fragen, wie sie ihre Mitarbeitenden maßgeschneidert weiterentwickeln können. Oder auch daran, dass sie den Abschnitt "Weiterbildung-/ Entwicklungsziele" in den jährlichen Mitarbeiterdialogen wesentlich konkreter und detaillierter füllen als Jahre zuvor.
Wer sich mit Sebastian Laubach näher austauschen will, nimmt am besten über LinkedIn Kontakt zu ihm auf.
Prof. Dr. Axel Koch ist promovierter Diplom-Psychologe und arbeitet als Professor für Training und Coaching an der Hochschule für angewandtes Management in Ismaning (bei München). In seiner Forschung befasst sich Koch mit dem Thema Lerntransfer und nachhaltige Veränderung. Er hat über 30 Jahre Erfahrung als Personalentwickler, Trainer und Coach. Er steckt hinter dem Pseudonym "Richard Gris", unter dessen Namen 2008 das Buch "Die Weiterbildungslüge" erschien, und hat die preisgekrönte "Transferstärke-Methode" entwickelt.