Trendwende auf dem Ausbildungsmarkt

Aktuell können sich noch rund vier von zehn der Ausbildungsplatzsuchenden ihre Lehrstelle unter verschiedenen Angeboten aussuchen. In dieser komfortablen Situation waren zuletzt deutlich mehr, wie die Studie Azubi-Recruiting-Trends 2025 von U-Form Testsysteme unter wissenschaftlicher Begleitung von Professor Christoph Beck von der Hochschule Koblenz ermittelte. In den Jahren 2024 und 2022 hatten 51 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber zwei oder mehr Angebote für einen Ausbildungsplatz vorliegen. 2019 erhielten sogar 73 Prozent mehrere Ausbildungsplatzangebote, 2017 waren es 63 Prozent. Die Studie ermittelte zuletzt für 2014 eine so geringe Zahl an mehrfachen Ausbildungsplatzangeboten wie in diesem Jahr.
Darüber hinaus konnten laut Studie 38 Prozent der befragten Ausbildungsbetriebe 2024 nicht alle Ausbildungsstellen besetzen. Diese Zahl ist gegenüber 2023 leicht gesunken (39 Prozent) und deutet ebenfalls auf eine Trendwende auf dem Ausbildungsmarkt hin.
Azubi-Ghosting: Keine Antwort auf die Bewerbung
Ein weiteres Indiz: 60 Prozent der befragten Bewerberinnen und Bewerber geben an, dass sie keine Rückmeldung auf eine Azubi-Bewerbung erhalten haben. Aber nur sieben Prozent der Ausbildungsverantwortlichen geben zu, dass sie nicht auf alle Azubi-Bewerbungen antworten. In den meisten Fällen handelt es sich um Azubi-Ghosting nach der schriftlichen Bewerbung (86 Prozent). Aber auch das Schweigen nach einem Einstellungstest (sieben Prozent) oder einem Vorstellungsgespräch kommt vor.
Bei den jungen Menschen kommt das Ghosting erwartungsgemäß nicht gut an. Die Kommentare reichen von "verunsichert, genervt" bis "nicht wertgeschätzt" und "im Stich gelassen" sowie "unseriösen Eindruck vom Unternehmen bekommen". Ausführlichere Kommentare schildern konkrete Situationen wie zum Beispiel: "War verwirrt und genervt zugleich. Hab dort ne Aufgabe bekommen, hab diese bearbeitet, keiner hat mit mir gesprochen. Hab das abgegeben und wurde nach Hause geschickt. Hab dann nach Wochen danach dort angerufen, keiner ging ran und es kam nie eine Antwort zurück."
Hürden bei der Ausbildungsplatz-Bewerbung
Abgesehen vom Azubi-Ghosting legen immer noch zahlreiche Betriebe ihren Azubi-Bewerberinnen und -Bewerbern Steine in den Weg. Nach Angaben der Verantwortlichen aus den Unternehmen haben nur 54 Prozent einen registrierungsfreien Bewerbungsprozess. Lediglich 32 Prozent verzichten auf ein Anschreiben. Bei 38 Prozent der Ausbildungsbetriebe funktioniert die Bewerbung nicht per Smartphone und 35 Prozent der Ausbildungsverantwortlichen spielen ihren eigenen Bewerbungsprozess nicht durch.
Auch bei der Auswahl ihrer künftigen Azubis sind die Unternehmen wenig professionell aufgestellt. Laut Studie hat knapp die Hälfte der Betriebe (49 Prozent) keine schriftlich definierten Anforderungsprofile für Azubis. Wenn sie eine Bewerbung ablehnen, dann am häufigsten wegen "fehlendem Wissen über den Ausbildungsberuf" (65 Prozent), "keine guten Noten in Mathematik" (47 Prozent) und "fehlendem Wissen über das Unternehmen" (36 Prozent).
Azubi-Stellenanzeigen zu allgemein
In den Stellenanzeigen geht ebenfalls nicht alles professionell zu: Zwar nennen 77 Prozent dort Anforderungen für Azubis. Aber die meisten davon (81 Prozent) leiten diese aus "Erfahrungen" ab, 42 Prozent aus den "Vorgaben der Fachabteilung" und 22 Prozent schlicht "aus alten Stellenanzeigen". Zudem nennen sie in den Stellenanzeigen oft Skills, die kaum überprüfbar sind: 61 Prozent setzen eine "gute Auffassungsgabe" voraus – ein Kriterium, das in der Vorauswahl anhand schriftlicher Bewerbungen kaum überprüfbar ist. Auch generisch formulierte Soft Skills wie Teamfähigkeit (80 Prozent), Zuverlässigkeit (68 Prozent) und Kommunikationsfähigkeit (62 Prozent) werden häufig genannt.
Berufsorientierung: Schnuppertag schlägt Videos
Die Verantwortung für die eigene Berufsorientierung sieht eine relative Mehrheit der Schülerinnen und Schüler (29 Prozent) vor allem bei sich selbst. Auf dem zweiten Platz liegen Schulen (20 Prozent), auf Platz drei die Eltern (19 Prozent). Unternehmen landen auf Platz vier (17 Prozent) und die Arbeitsagentur sowie die IHK auf Platz fünf (16 Prozent).
Werden die Jugendlichen vor Alternativen zur Berufsorientierung gestellt, schlägt der Schnuppertag im Ausbildungsbetrieb (70 Prozent) das Video zum Ausbildungsberuf (30 Prozent) um Längen. Der Rat von Freundinnen/Freunden (80 Prozent) sowie Eltern (81 Prozent) ist ihnen deutlich wichtiger als KI-Tipps (20 beziehungsweise 19 Prozent).
Für über die Hälfte (51 Prozent) der Jugendlichen haben die Berufe der Eltern einen Einfluss auf die Berufswahl. Meist ist der Einfluss positiver Natur (42 Prozent), aber es gibt auch abschreckende Beispiele (neun Prozent).
Ausbildungsplatzsuche am liebsten per Suchmaschine
Die aktuelle Generation Azubis beschafft sich Informationen zu Ausbildungen am liebsten per Suchmaschine (41 Prozent). Es folgen mit 36 Prozent Youtube und mit 35 Prozent Instagram. Erst auf Platz vier liegen die Online-Auftritte von klassischen Medien (32 Prozent). Tiktok liegt mit 27 Prozent auf Platz fünf. Auch bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz liegen Suchmaschinen vorn (64 Prozent). Weniger häufig genutzt werden Job-Apps (37 Prozent). Generell trauen 55 Prozent der Azubi-Bewerberinnen und -Bewerber einer KI zu, sie bei der Ausbildungsplatzsuche unterstützen zu können.
Gewinner und Verlierer beim Ausbildungsimage
Nicht nur der Ausbildungsmarkt wandelt sich: Auch beim Image von Ausbildungsberufen gibt es Veränderungen. Zwar stehen Fachinformatiker/innen bei den gut angesehenen Ausbildungsberufen immer noch ganz oben, aber im Vergleich zu 2018 haben medizinische Fachangestellte deutlich aufgeholt und liegen nun auf Rang zwei (2018: Rang vier). Jeweils drei Plätze gutmachen konnten Chemikanten/innen, die aktuell auf Rang drei stehen, Elektroniker/innen (2025: Rang vier) sowie Kranken- und Altenpfleger/innen (2025: Rang fünf).
Um jeweils vier Plätze verschlechtert hat sich das Ansehen von Ausbildungen zu Kaufleuten für Büromanagement (2025: Rang sechs) und Mediengestalter/innen Digital und Print (2025: Rang sieben).
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