Unwirksame Preiserhöhung von Netflix

Die Entscheidung des LG Köln betrifft zunächst nur einen konkreten Kunden von Netflix, könnte aber auch für andere Kunden des Streaminganbieters interessant sein, die von den gleichen oder ähnlichen Preiserhöhungen in der Vergangenheit betroffen waren.
Kläger unterhielt kostenpflichtigen Netflix-Account
Der Kläger unterhält seit dem Jahr 2014 einen Netflix-Account. Ursprünglich war hierfür ein monatliches Entgelt in Höhe von 7,99 EUR zu zahlen. Der Nutzungsvertrag enthielt eine AGB-Klausel, wonach Netflix berechtigt war, den Preis nach billigem Ermessen zu erhöhen, wenn die allgemeine Kostensituation dies für den Streaminganbieter erforderlich macht.
Mehrfache Preiserhöhungen mit Zustimmungsbutton
Nach ca. 3 Jahren schloss der Kläger ein „Premium-Abo“ zu einem erhöhten monatlichen Preis von 11,99 EUR ab, den Netflix in den Jahren 2017, 2019 und 2021 auf zuletzt 17,99 EUR monatlich erhöhte. Die jeweiligen Erhöhungen erfolgten in der Weise, dass Netflix den Kunden online mitteilte, dass der Preis sich infolge der geänderten Kostensituation um einen konkret genannten Betrag erhöht. Neben dieser Mitteilung war ein Button mit dem Text „Preiserhöhung zustimmen“ angebracht. Diesen Button hatte der Kläger jeweils angeklickt.
Zahlungs- und Feststellungsklage gegen Netflix
Die Vorgehensweise von Netflix erschien dem User im Nachhinein als unzulässig. Er forderte im Jahr 2022 die Mehrzahlungen für die vergangenen Jahre von Netflix zurück und erhob schließlich Zahlungsklage vor dem AG. Den Zahlungsantrag verband er mit dem Antrag auf Feststellung, dass die seit Dezember 2017 erfolgten Preiserhöhungen unwirksam sind. Das AG wies die Klage erstinstanzlich ab.
Klage in 2. Instanz erfolgreich
Die Berufung des Klägers beim LG Köln hatte demgegenüber Erfolg. Nach Auffassung des LG war die Einräumung eines Rechts zu einseitigen Preisanpassungen in den AGB von Netflix unwirksam. Aber auch über die Betätigung des Zustimmungsbuttons zu den jeweils mitgeteilten Preiserhöhungen sind nach der Bewertung der Kammer keine wirksamen Vergütungsabreden zustande gekommen.
Einseitige Preiserhöhungsklausel in AGB unwirksam
Das LG bewertete zunächst die in den AGB von Netflix enthaltene Klausel zur einseitigen Vertragsänderung als eine unangemessene Benachteiligung der Kunden im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB. Die Unangemessenheit folge schon daraus, dass der Option zur Preiserhöhung im Fall allgemeiner Kostensteigerungen keine korrespondierende Option zur Preissenkung im Fall einer ebenfalls möglichen Reduktion der allgemeinen Kosten gegenüberstehe.
Preisanpassung kann durch Änderungskündigung erfolgen
Das LG räumte ein, dass bei Dauerschuldverhältnissen ein berechtigtes Interesse an einer Anpassung der zu zahlenden Entgelte bei geänderten Kosten gerechtfertigt sein kann, wenn der Verwender sich gegen bei Vertragsschluss nicht zu überschauende Kostensteigerungen absichern will (BGH, Urteil v. 15.11.2017, III ZR 247/06). Dies sei im konkreten Fall aber nicht erforderlich, denn es sei Netflix ohne weiteres möglich, im Fall allgemeiner Kostensteigerungen diese zeitnah mittels einer Änderungskündigung, also dem Angebot zu einer angepassten Vergütungsvereinbarung, an die Kunden weiterzugeben.
Keine wirksamen Anpassungsvereinbarungen
Auch die bei jeder einzelnen Preiserhöhung erfolgte Mitteilung an den Kunden verbunden mit dem anschließenden Klick des Users auf den Button „Preiserhöhung zustimmen“ enthält nach Auffassung der Kammer keine wirksame Anpassungsvereinbarung. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei die Einblendung der Schaltfläche „Preiserhöhung zustimmen“ kein wirksames Angebot zum Abschluss eines Änderungsvertrages. Nach der Rechtsprechung des BGH sei die Wirksamkeit einer solchen Zustimmung in Fällen einseitiger Preiserhöhungen davon abhängig, dass eine Änderung des vereinbarten Preises vom Willen beider Vertragspartner getragen wird (BGH, Urteil v. 5.7.2017, VIII ZR 163/16).
Kunde hatte aus seiner Sicht keine Wahl
Dieser Erklärungswille des Kunden, einer vorgeschlagenen Preisanpassung zuzustimmen, fehlte nach Auffassung der Kammer im konkreten Fall. Die Schaltfläche „Preiserhöhung zustimmen“ habe sich neben der Mitteilung befunden, dass der monatliche Preis erhöht wird. Der Kunde habe - auch unter Berücksichtigung des in den AGB postulierten einseitigen Preisanpassungsrechts - nicht davon ausgehen können, dass die Zustimmung in seiner Entscheidungsbefugnis liegt. Vielmehr habe er annehmen müssen, dass die Preiserhöhung bereits feststeht und nicht von seiner Mitwirkung abhängig ist. Damit fehle es aus der Sicht des Kunden an einer auf eine Vergütungsanpassung gerichteten Willenserklärung.
Ein Teil der Rückforderungsansprüche war verjährt
Im Ergebnis waren nach der Entscheidung der Kammer sämtliche Preiserhöhungen unwirksam. Netflix hat damit die Erhöhungsbeträge zu Unrecht erhalten und nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung an den Kläger zurückzuerstatten. Die Rückerstattungspflicht umfasst nach der Entscheidung des LG allerdings nur die ab dem Jahr 2019 geleisteten Überzahlungen, da Rückforderungsansprüche für die davorliegenden Jahre infolge der von Netflix erhobenen Verjährungseinrede gemäß § 195 BGB verjährt sind.
(LG Köln, Urteil v. 15.5.2025, 6 S 114/23)
Hintergrund:
Die Entscheidung des LG könnte für Netflix teuer werden, wenn auch weitere Kunden Erhöhungsbeträge zurückverlangen. Kunden könnten sich dabei auch auf eine Entscheidung des LG Düsseldorf stützen, das eine ähnlich formulierte Klausel zur einseitigen Preiserhöhung in den AGB von Amazon Anfang des Jahres ebenfalls für unzulässig erklärt hat (LG Düsseldorf, Urteil v. 15.1.2025, 12 O 293/22).
Netflix hat Preisanpassungsklausel inzwischen geändert
Rückforderungen dürften im Hinblick auf die 3-jährige Verjährung zum jetzigen Zeitpunkt nur rückwirkend bis zum Jahr 2022 möglich sein. Zu berücksichtigen ist auch, dass Netflix die Formulierung zur Preisanpassung in seinen AGB vor einiger Zeit geändert hat.
Rechtslage nicht ganz eindeutig
Die Rechtslage ist im Hinblick auf teilweise abweichende Entscheidungen anderer Gerichte für die User nicht eindeutig. Das OLG Dresden (Urteil v. 11.12.2019, 4 U 1680/19) und das OLG Schleswig (Urteil v. 26.2.2020,9 U 125/19) hatten in etwas anders gelagerten Fällen entschieden, dass die Nutzungsbedingungen für soziale Netzwerke wirksam durch Anklicken einer Schaltfläche in einem Pop-Up-Fenster geändert werden können. Allerdings ging es in diesen Fällen nicht um die Anpassung von Vergütungsregelungen, sondern um die Änderung anderweitiger Nutzungsbedingungen bei kostenfreien sozialen Netzwerken.
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