Ob Glück eine erlernbare Kompetenz ist? Ob wir auch im Arbeitskontext so etwas wie Glück, Zufriedenheit und Erfüllung erwarten und erstreben dürfen? Das sind aktuell heiß diskutierte Fragen. Im Angesicht des rasanten Wandels nehmen die Sinnfragen immer mehr zu. Damit die mentale Gesundheit keinen Schaden nimmt, werden Glück und Zufriedenheit ebenfalls zu zentralen Aspekten des Arbeitslebens. Und zur gemeinsamen Verantwortung von Führenden und Mitarbeitenden.
Wenn der Erfolg nicht erfüllt
Auch beim Glück gilt, wie so häufig, dass das Schwierige daran nicht Unwissenheit ist, sondern das, was wir irrtümlich sicher zu wissen glauben. Arthur Brooks, Glücksforscher und Harvard-Professor für Führungspraxis, bringt es auf den Punkt: Die meisten Menschen verwechseln kurzfristige Zufriedenheit mit echtem Lebensglück und wundern sich, wenn sie trotz Erfolg innerlich leer bleiben. Denn das Problem steckt tiefer: Ich gebe mich glücklich, ohne es zu sein. Meine innere Unzufriedenheit (Unglück) äußere ich im Beschweren – über Ehepartner, Mitarbeitende, Chefinnen, Politiker. In Summe Beschwerden ans Leben. Ein Mangel an Glückskompetenz, der uns in die Irre führt.
Das ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis einer falschen Denkrichtung. Viele glauben: Wenn ich im Job aufsteige, mehr Geld verdiene, mehr Anerkennung und Statussymbole bekomme – dann kommt das Glück schon von allein. Ein Trugschluss. Erfolg macht satt – aber nicht erfüllt. Ich selbst habe lange gebraucht, um das zu erkennen.
Glück lässt sich trainieren
Brooks sagt: Glück ist kein Zustand, sondern eine Fähigkeit, die wir trainieren können. Wie ein Muskel. Es entsteht nicht durch das, was man hat – sondern durch das, was man tut. Durch Sinn, Verbindung und innere Haltung.
Ein zweiter Denkfehler: Viele klammern sich an die Vorstellung, sie müssten mit 60 als gestandene Führungskraft noch funktionieren wie Mitarbeitende mit 35 Jahren. Sie wollen weiter performen, kämpfen gegen den natürlichen Wandel. Dabei liegt echte Stärke nicht im Festhalten, sondern im Loslassen. Wer loslässt, wird frei. Wer kämpft, bleibt gefangen.
Brooks nennt das die "Fluid-Intelligenz-Falle": Wer sich nur über Tempo, Verstand und Status definiert, verliert mit dem Alter sein Fundament. Die Lösung? Den Wechsel akzeptieren: vom Macher zum Mentor, von der Kämpferin zur Lehrerin, vom Manager zum Menschenentwickler. Das sind die Rollen der reifen Führungskraft. Was zählt, ist nicht, wie viel Du erreichst. Sondern ob Du innerlich wächst. Nicht, wie viel Applaus Du bekommst. Sondern ob Du weißt, wer Du ohne ihn bist. Tiefe statt Tempo. Klarheit statt Vergleich.
Glück im Unternehmen entsteht durch sinnhaftes Tun
Und ja, Glück hat immer auch mit anderen Menschen zu tun. Beziehungen. Nähe. Vertrauen. Nicht die Anzahl, sondern die Tiefe zählt, und das auch bei Kollegen, Chefinnen, Geschäftspartnern und Kundinnen. Brooks bringt es radikal einfach auf den Punkt: "Happiness is love – full stop." Dem ist nichts hinzuzufügen.
Was mich an seiner Arbeit überzeugt: Sie ist kein Wohlfühl-Geschwätz. Sie fordert. Sie provoziert. Und sie zeigt: Wer sein Denken nicht ändert, wird im Spiel des Glücks immer verlieren, egal wie viele Erfolge er oder sie anhäuft.
Glück im Unternehmen entsteht durch sinnhaftes Tun. Durch fördern und fordern. Durch Bindung und Gemeinschaft. Glück fördert die Stressprävention. Schafft Motivation und Stimmung. Macht Führungskräfte und Teams resilienter und wettbewerbsfähiger. Glück ist kein Ziel. Glück ist ein Ergebnis. Das Ergebnis davon, wie Du denkst. Wie Du handelst. Und wofür Du stehst. Wer das versteht, hört auf zu suchen – und beginnt zu gestalten. Und jetzt meine Frage an dich: Tust du glücklich oder bist du glücklich? Und was ist dir das Glück der anderen wert?
Über den Kolumnisten: Boris Grundl ist Führungskräftetrainer und gilt bei Managern und Managerinnen sowie Medien als "Der Menschenentwickler" (Süddeutsche Zeitung). Er ist Inhaber des Grundl Leadership Instituts, das Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden. Dafür erforscht, testet und lehrt das Institut hochwertige, praxisrelevante Unterscheidungen - als Voraussetzung für Wahrnehmung und Erkenntnis.